Ernst-Ortlepp-Kolloquium und Denkmalseinweihung 2004 in Schulpforte Liebes- oder Bildungserlebnis? Nietzsche und Ortlepp Anstößiges aus einem Schüleralbum Erweiterter Vortrag vor der Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg vom 30. April 2003 Der Sachverhalt, den ich Ihnen heute vorstellen möchte, beginnt eigentlich ganz harmlos. Der 19-jährigen Nietzsche schreibt in den sogenannten "Hundstagferien" als Abiturient in Schulpforta im Juli 1864 seine THEOGNIS-Arbeit zu Ende, und in einem Brief an Wilhelm Pinder vom 4. Juli 1864 fallen jene Worte zum "alten Ortlepp", die heutzutage zu verschiedenartigen Deutungen Anlaß geben (1): Der alte Ortlepp ist übrigens todt. Zwischen Pforta und Almrich fiel er in einen Graben und brach den Nacken. In Pforta wurde er früh morgends bei düsterem Regen begraben; vier Arbeiter trugen den rohen Sarg; Prof. Keil folgte mit einem Regenschirm. Kein Geistlicher. Schulpforta im Saaletal Es handelt sich hierbei um einen kleinen – und den letzten – Absatz aus einem zwei Druckseiten langen launigen Ferienbrief Nietzsches an seinen Freund, der sich auf ein nunmehr 20 Tage zurückliegendes Ereignis bezieht, da Ortlepp nach einer Meldung des Naumburger Kreisblattes bereits am 14. Juni zu Tode kam – er sei in einem Chausseegraben ertrunken aufgefunden worden.(2) Offensichtlich ist Nietzsche, nachdem er vorher alles Wichtige abgehandelt hat, am Ende des Briefes dies noch als beiläufig mitteilenswert erschienen, wohl weil Pinder Ortlepp ebenfalls aus Naumburg gekannt hatte. (Das Original des Briefes im Überblick ist einsehbar im Internet bei der Stiftung Weimarer Klassik, Goethe-Schiller-Archiv, wo derzeit sämtliche Briefe von und an Nietzsche digitalisiert eingestellt werden. Die genaue Briefstelle mit diesem Link.
Oberflächlich betrachtet schildert hier Nietzsche ein zwar offenbar tragisches Geschehen, aber nichts, was uns in Bezug auf ihn selbst besonders interessieren müßte. Dies auch deshalb, weil Nietzsche Ortlepps an keiner einzigen anderen Stelle gedenkt, sei es in Werk, Brief oder Nachlaß. Bereits 1942 hat Friedrich Würzbach in seinem Nietzsche-Buch die Ortlepp-Spur aufgenommen unter der Überschrift "Fall Ortlepp": Ein seltsames Menschenschicksal zog magnetisch aus noch unbewußtem Untergrunde etwas unheimlich Furchtbares aus Nietzsche heraus, was in dem Neunzehnjährigen sonst noch lange geschlummert hätte, uns aber Beweis und Beleg ist, daß Nietzsches Entwicklung, Aufgabe und Schicksal ein Ganzes und Naturgegebenes von Anfang an waren und nicht spätere Einflüsse oder Erkrankung ihn erst zu seinen Erkenntnissen führten. Ortlepp, ein früherer "Pförtner" ..., war nichts Rechtes geworden. Vielseitig begabt, hatte er sich als Shakespeare-Übersetzer einen Namen gemacht. Er vagabundierte in der Umgegend von Pforta herum, und Nietzsche sprach ihn an seinem Todestage in Almrich in der Nähe Pfortas. ... (Es folgt die auch hier abgedruckte Briefstelle Nietzsches.) ... Als der kranke Nietzsche 1891 bei seiner Mutter lebte, schrieb ein der Familie unbekannter Pfarrer, der von der Erkrankung Nietzsches gehört hatte, der Mutter folgenden Brief: Es steigt eines Mannes Gestalt vor mir auf, die Ihr Sohn und ich im Leben gekannt haben und vor dreißig Jahren mit Grausen auf den Saalehäusern bei Pforta am Klavier dämonische Lieder singen hörten des Inhalts: "Mein Herr Jesus hat viel gelitten, aber ich leide mehr." So sang ein ehemaliger Pförtner, der als geistvoller Shakespeare-Übersetzer in weiten Kreisen der sogenannten Gebildeten bekannte Ortlepp. Sein Ende war trostlos: auf der Straße zwischen Pforte und Almrich, so sagte man mir, brach er zusammen und stürzte am Abhang zu Tode. Die Mutter Pforte gab ihm ein stilles Begräbnis; er hatte wohl keine andere Mutter mehr, sonst wäre es nicht so weit bergab mit ihm gegangen; aber wäre ihm die christliche Liebe nähergekommen, hätte Wilhelm Korssen* Weib und Haus gehabt, hätte Aug. Koberstein seinen (Ortlepps) inneren Abgrund durchschauen können, hätte Karl Nieses mildes und Karl Steinharts klassisch gebildetes und Keils christlich gerichtetes Auge Ortlepps Wesen erfasset, ich glaube, jenes Ende wäre zu vermeiden gewesen und Ortlepp gerettet worden. Wie aufgeschlossen der (1864) Neunzehnjährige für die seelischen Erschütterungen eines Ortlepp war, bezeugen Verse aus dieser Zeit, deren erschreckende Bilder wie ein vulkanischer Durchbruch aus unbewußten Tiefen anmuten, denn die Jugendgedichte bis dahin sind harmlos. * Bei allen hier genannte Personen handelt es sich um Lehrer Nietzsches in Schulpforta. Aus: Friedrich Würzbach, Nietzsche, Sein Leben in Selbstzeugnissen, Briefen und Berichten, Propyläen-Verlag Berlin 1942 Ähnlich wie in Sachen Stirner – dessen "Einziger" Nietzsche nach Meinung Einiger mächtig beeinflußt haben soll (3) – wird aber nun aus der Nichterwähnung Ortlepps durch Nietzsche von Manchen nicht etwa geschlossen, daß dieser eben für ihn keine besondere Bedeutung besessen habe, sondern genau das Gegenteil: Das stillschweigende Übergehen Ortlepps sei wohl Absicht, und Nietzsche habe etwas zu verbergen. Wie aus meinem Vortrag zur Kindheit und Jugend Nietzsches bekannt, hat sich der Mitherausgeber von A&K, Prof. H. J. Schmidt ganz besonders um die Erforschung von Nietzsches Frühzeit verdient gemacht (ich verweise auf sein Opus magnum "Nietzsche absconditus" (4)); in diesem publizierte er im letzten Band im Jahr 1994 einen brisanten Fund im Weimarer Goethe-Schiller-Archiv (GSA): ein Schüleralbum Friedrich Nietzsches aus der Pfortazeit mit verschiedenen Eintragungen (5). Die Brisanz entsteht daraus, daß Schmidt vermutet, gewisse Eintragungen stammten von der Hand des im obigen Brief Nietzsches genannten Ortlepp, weshalb davon ausgegangen werden könne, daß letzterer einen ganz erheblichen und gar nicht zu überschätzenden Einfluß auf Nietzsche genommen habe, was für die Erforschung der Gedankenwelt Nietzsches natürlich von großer Bedeutung wäre. Zunächst müssen wir uns daher diese Einträge in Nietzsches Album vergegenwärtigen, und was es mit diesen auf sich haben könnte. In diesem Album Nietzsches (auch Stammbuch genannt (6)), dessen Anschaffungstermin bislang unbekannt ist, befinden sich verschiedene mehr oder weniger poetische Einträge meist von Mitschülern. Bekannt ist weiter, daß Nietzsche dieses Album nicht stets bei sich in Pforta hatte, sondern durchaus auch zu Hause in Naumburg zurückließ. Dies geht aus einem Brief an seine Mutter vom Nach Schmidt, dessen Forschungen die Grundlage des hiesigen Vortrages bilden, umfaßt dieses Album 170 Seiten, 152 davon sind leer. Die Einträge stammen abgesehen von den Seiten 61-66 sämtlich von Mitschülern. Eingetragen haben sich:
Diese Einträge erfolgten offensichtlich nicht fortlaufend, sondern wahllos (offenbar nach gusto der Eintragenden, denen Nietzsche dazu wohl dieses Album übergeben hatte), der früheste möglicherweise aus dem Jahr "1858" – wenn es sich bei dieser Jahreszahl auf den unidentifizierten Seiten 61-66 denn wirklich um das Eintragsdatum handelt; die spätesten Einträge datieren anläßlich des Abgangs Nietzsches von Pforta nach dem Abitur im September 1864. Je nach ihrer Nähe zu Nietzsche verwenden die Schreiber teils das vertrauliche "Du", teils das "Sie". Im übrigen scheinen an verschiedenen Stellen wohl Seiten von unbekannter Hand herausgetrennt zu sein. Diese Beobachtung könnte deshalb von Bedeutung sein, da sowohl die Verse von R. Granier (8) wie die hier in Frage stehenden Seiten 61-66 eben gerade nicht entfernt wurden. Dort finden sich, teils mit Jahreszahlen von 1858 bis 1863 datiert, diverse Gedichtstrophen, die aus dem üblichen "Schülerpoesie-Rahmen" der meisten übrigen Einträge herausfallen und von denen ich hier einige bezeichnende Proben geben will. Nach einem Platon-Motto aus dem Phaidon 72AB in deutscher Sprache, das in einem weiten, wohl kosmischen Sinn die Notwendigkeit der Wechselwirkung von Seiendem ausspricht, folgen Strophen, welche eine solche "Wechselwirkung" in sehr konkreter Weise anstreben: Weil sich offenbar der eine Partner (Nietzsche?) nicht entsprechend an dieses Wechselspiel eines liebenden Gebens und Nehmens halten will – offenbar der Grund dieses zunächst eher sonderbaren Mottos. Hier nun besonders aussagekräftige Beispiele der Einträge (9): IV., 3. Strophe: VIII., 2. Strophe: IX., 1. Strophe: Epilog. Uebersetzung des Motto. Mel: Carneval v. Venedig: All diese Verse sind offenbar von einer Hand hintereinander weg auf S. 61-66 des Albums geschrieben und teils datiert von 1858 bis 1863; dabei läßt die Art der Schrift in ihrer Ausgeprägtheit und Abgeschliffenheit wohl kaum auf eine sehr junge Hand schließen. Nachdem die letzte angeführte Zeile auch mit einem abgekürzten Namensteil gezeichnet ist, erregen solche Zeilen natürlich Neugierde im Hinblick auf die Identität des Verfassers. In diesem Falle meint Schmidt, den eingangs im Brief Nietzsches erwähnten Ortlepp als deren Schreiber identifizieren zu können. Folglich haben wir uns zunächst dessen Person zuzuwenden. "Wer war denn Ernst Ortlepp?", überschreibt Prof. Schmidt den Aufriß von dessen Vita im Nietzsche-Sonderheft 4 von Aufklärung und Kritik aus dem Jahr 2000 und führt damit die seit 1983 durch Rainer Bohley angestoßene Debatte um Ernst Ortlepp fort, die Schmidt zuerst in "Nietzsche absconditus"(2) und sodann in Antwort auf eine ablehnende Streitschrift von Gerhard Hödl aus dem Jahr 1999 in den Nietzsche-Studien mit einem eigenen Buch zur Sache: "Der alte Ortlepp war’s wohl doch" wieder aufgenommen hatte (10). Eine weitere Publikation aus seiner Feder ist in den "Schriften der Ernst-Ortlepp-Gesellschaft zu Zeitz" als Nr. 1 erschienen: "Dichterschicksals Wolke"? Ernst Ortlepps Weg nach Zeitz. Hier ein kurzer Werdegang unter besonderer Berücksichtigung der damaligen Stellung Ortlepps in Pforta (die Darstellung folgt vor allem den Informationen von Prof. Schmidt, unter anderem dessen Artikel im Nietzsche-Sonderheft von A&K (11)): Der am 1. August 1800 in Droysig (etwas links von Zeitz gelegen, s. Karte oben) geborene Ernst Ortlepp war in den 30er und 40er Jahren des 18. Jahrhunderts ein im deutschen Sprachraum bekannter politischer Dichter, Schriftsteller, Herausgeber, Shakespeare- und Byronübersetzer mit zahlreichen zum Teil pseudonymen Veröffentlichungen. 1828 besuchte er Goethe in Dornburg, der dazu unter anderem immerhin in seinen "Gesprächen" vermerkte, daß ihm dessen "ästhetisch-sentimentale Grillen", auf Grund derer er "gar kein Verhältnis zur Außenwelt finden kann", "zu peinlichen Betrachtungen Anlaß" gaben. (12) Offenbar hatte der alte Herr mit seiner eigenen rebellischen Phase, in der er mit Werken wie dem "Werther" oder "Prometheus" gegen herrschende Verkrustungen antrat, Frieden geschlossen – Ortlepp gelang dies nicht. Schon ab 1833 saß der von der Zensur kritisch beäugte Schriftsteller zwischen allen Stühlen, weil er "zu sehr einen eigenen Weg gegangen" war. Zwei Faktoren sind wohl hauptsächlich für den beruflichen und sozialen Abstieg Ortlepps verantwortlich: Zunächst ruinierte eine "denunzierende" Kritik Heinrich Laubes in der Zeitung für die elegante Welt "seinen Ruf nicht nur bei den Jungdeutschen, sondern auch als eines ernstzunehmenden Autors". 1834 fiel dann seine Lyra der Zeit – eine umfangreiche ebenso poetische wie politische Anthologie – der preußischen Zensur zum Opfer. 1835 wandte sich gar der damals in Europa tonangebende Politiker, der österreichische Staatskanzler Fürst von Metternich, – und zwar noch vor dem Bundestagsbeschluß am 10.12.1835 gegen das ‘Junge Deutschland’ – gegen dessen Fieschi, ein großes Gedicht über den korsischen Attentäter, der 1834 mit einer Art "Stalinorgel" den französischen König ermorden wollte und 1836 hingerichtet wurde. Gegen diese "aller religiösen und moralischen Bande entledigte und nur dem dämonischen Instinkte des Bösen hingegebene Phantasie" wandte sich Metternich "ganz persönlich und mit größter Entschiedenheit", so daß Ortlepp 1836 aus Sachsen und 1853 auch aus Württemberg ausgewiesen wurde. Obwohl er "wie besessen" als Übersetzer und Herausgeber arbeitete, weiterhin Gedichte, Lieder, Epen, Romane und Essays schrieb, gelang es ihm nicht, wirtschaftlich Fuß zu fassen. So kehrte er wieder in den heimatlichen Saaleraum zurück und versuchte sich mit Gelegenheitsarbeiten sowie mit Nachhilfe für die Primaner in Pforta durchzuschlagen.
Selbst ehemaliger Pförtner, hatte er noch 1856 in Halle sein Gymnasiallehrerstaatsexamen abgelegt, fand jedoch im Schuldienst keine Anstellung und geriet von Herbst 1858 an zunehmend aus der Bahn. Schmidt berichtet (aaO.): "In den frühen 1860er Jahren hielt sich Ortlepp häufig in von Pforteschülern aufgesuchten Gaststätten auf, sang sich am Piano begleitend ‚dämonische Lieder‘, war zeitweilig arbeits- sowie obdachlos und galt als Trinker. Dennoch eröffneten Ortlepps große Festgedichte weiterhin das wöchentlich zweimal erscheinende Naumburger Kreisblatt. Ortlepps letzter größerer Gedichtband (Klänge aus dem Saalthal) erschien 1856 in einem Naumburger Verlag. Ortlepp, der ein leidenschaftlicher Wanderer war, verkaufte bei möglichst vielen Gelegenheiten Einblattdrucke eigener Dichtungen. Außerdem suchte er durch Schreibarbeiten, Gelegenheitsgedichte, Auftragsdichtungen, Nachhilfe zumal in den alten Sprachen sowie in Deutsch, Orgel- und Harmoniumspiel usw. seine minimale Rente aufzubessern. So ist auszuschließen, das Kind Nietzsche sei in dem Kleinstädtchen Naumburg dem als besonders kinderfreundlich geschilderten Ernst Ortlepp nicht ebenso wie auch Gedichten Ortlepps mehrfach begegnet." Für Schmidt legen "Einige Gedichte zumal aus Nietzsches Pfortejahren ... den Eindruck eines Gesprächs mit Ortlepp nahe; andere Texte Nietzsches wirken als Reaktion auf oder Verarbeitung von Erfahrungen mit Ortlepp oder von Anregungen Ortlepps. Nach meinem Eindruck hat Ernst Ortlepp jedoch gerade in Nietzsches Kindheit eine entscheidende Rolle in Nietzsches Entwicklung gespielt." Um die Denkart des Dichters vorzustellen, hier nun ein Ausschnitt aus einem seiner Texte, dem "Vaterunser des neunzehnten Jahrhunderts – Ein Weltchoral", spätestens von 1834 (13): Ein Zufall nur erschuf die Welt, Den einzelnen, der sich erhebt, ... Hörst du der ergrimmten Völker Ton, Es wundert nicht, daß der Autor solcher Zeilen – ganz parallel übrigens zu Ludwig Feuerbach – in christlichen deutschen Landen der Mitte des 19. Jahrhunderts keinerlei Anstellung mehr fand. Und so fristete er ein kärgliches Leben, verdiente sich durch Nachhilfe und Übernahme von Arbeiten so mancher Pfortaschüler ein Zubrot, auch waren ihm diese wohl gern gesehene Kommunikationspartner, denen er ihn interessierende Themen nahebringen konnte. Gesichert ist aus dem eingangs zitierten Nietzsche-Brief, daß dieser persönlichen Kontakt mit Ortlepp hatte – was aber berechtigt zu dem Schluß, daß letzterer der Autor jener Zeilen sei, die dann einen in gewisser Weise päderastischen Inhalt gewinnen? Dafür spräche natürlich sogleich das "platonische" Eingangszitat, das insoweit zumindest recht zweideutig eingesetzt ist – und von dem kaum zu erwarten ist, daß es etwa ein Mitschüler Nietzsches entsprechend gut gekannt und verwendet haben würde. Des weiteren spricht die Handschrift dieser Zeilen in ihrer Abgeschliffenheit keinesfalls für einen jungen Menschen, sondern eher für einen "Vielschreiber", der im übrigen auf die Ausgestaltung seiner Handschrift im Moment dieses Schreibens keinen allzu großen Wert legt.
Ich kann an dieser Stelle nicht näher auf den Disput eingehen, der sich um die Handschrift der Album-Verse entwickelt hat, obwohl die Sache an sich recht spannend ist: Der Antagonist Schmidts in dieser Sache ist Gerhard Hödl, lt. Schmidt "wissenschaftlicher Mitarbeiter an der kritischen Edition der Kinder- und Jugendschriften Nietzsches ... am Institut für Religionswissenschaften der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien und Anfang 2000 Habilitand in Christlicher Philosophie". Dieser Hintergrund ist auch für die Gegenargumentation wichtig: Der "Mainstream" der Nietzsche-Deutung versucht (nach Schmidt) Beunruhigendes an der Entwicklung Nietzsches auszublenden und ihn insbesondere in einer Religion und Kirchen nicht weiter störenden Sicht zu präsentieren, anstatt dessen Genese insbesondere in der Kindheit ernst zu nehmen. Hödl also publizierte eine Attacke gegen die Auffassung Schmidts und vermutet den Mitschüler Stoeckert als Autor der bewußten Verse, um damit den möglichen, insbesondere antichristlichen Einfluß Ortlepps auf Nietzsche abzublocken. Dies ist aber, wie Schmidt ausführlich nachweist, aus verschiedenen Gründen, insbesondere auch von der vorliegenden Handschrift Stoeckerts her, ganz unwahrscheinlich. Eher könnte es nämlich so sein, daß sich auch Stoeckert von Ortlepp hat helfen lassen, so daß Teile von dessen Valediktionsarbeit direkt von Ortlepp geschrieben worden sein könnten. Dafür spricht manches, da in der Überschrift dieser Arbeit und auf deren Seite 16 plötzlich eine völlig andere Handschrift erscheint. Diese Offensichtlichkeit hatte Hödl in seiner Replik, in der er Stoeckert als den Gedichteschreiber meinte aufweisen zu können, völlig übersehen. Und so könnte es paradoxer Weise der Fall sein, daß Hödl zwar Recht hat, wenn er Teile der Valediktionsarbeit als übereinstimmend mit den Albumtexten erklärt, aber gerade darum völlig im Unrecht im Hinblick auf Stoeckert ist, weil in beiden Fällen Ortlepp der eigentliche Schreiber gewesen sein könnte.
Nun gibt sich im Stammbuch aber der Autor im letzten Vers gar selbst zu erkennen, indem er dort seinen abgekürzten Namenszug hinsetzt als einer, der "nimmer gedacht hätte, daß er noch einmal lieben würde". Aller Lebenserfahrung nach ist es kein Jüngling, der diesen Heine-Vers zitiert (der gesamte Epilog paraphrasiert Heine aus dem Buch der Lieder (14)), was also neben der Abgeschliffenheit der Handschrift als zweites Indiz für einen älteren Schreiber spricht – aber was bedeutet das Namenskürzel? Schmidt liest hier "Lo." und meint, daß sich Ortlepp möglicherweise ein Buchstabenwechselspiel erlaubt habe, indem er die Anfangsbuchstaben der Silben seines Nachnamens vertauscht habe. Persönlich halte ich dies für etwas weit hergeholt, aber noch mehr: M.E. sind die Buchstaben nicht als "Lo.", sondern ausweislich der weiteren beigefügten handschriftlichen Beispiele möglicherweise als "Bo." zu lesen. (Nach Schmidt läßt sich allerdings aus dem Faksimile nicht viel herleiten – das von ihm eingesehene Original sehe noch einmal ganz anders aus.) Wie auch immer – es ist hier ist noch kein endgültiger Beweis zu führen und so bleibt wohl vorläufig unbekannt, wer der Verfasser dieser verfänglichen Zeilen in Nietzsches Album ist. Unabhängig von der Person ihres Autors – wie sind die Verse und ihr Gehalt selbst zu bewerten? Könnte es sich nicht auch um "Übungen" im "romantischen Dichten" handeln? Beginnt doch schon der Zehnjährige eigene Gedichte zu verfassen – wie, wenn er hier einen "Lehrmeister" (der dann durchaus Ortlepp gewesen sein könnte) gefunden hätte? Warum dann aber ein platonisches "Motto" und ein Heinescher "Epilog", von dem die ja offenbar über einen mehrjährigen Zeitraum verfaßten Eintragungen umrahmt werden? Im Moment sehe ich hier mehr offene Fragen als Antworten, die sich vielleicht durch allgemein-psychologische Überlegungen etwas eingrenzen lassen. Versetzt man sich in die Lage des Stammbuch-Inhabers, so ergeben sich je nach Bedeutungsgehalt solcher Gedichte wie der Graniers und der Ortlepp zugeschriebenen Verse divergierende Konsequenzen: Stehen hinter solchen direkten Andichtungen an Nietzsche die dazu entsprechenden persönlichen und möglicherweise auch sexuellen Beziehungen (Schmidt hält eine derartige homoerotische bzw. päderastische Hypothese wohl für die plausibelste), so wäre ein solcher Stammbuch-Inhaber der Logik und den damals gültigen Moralauffassungen nach bemüht gewesen, solche ihm geltende und intime Beziehungen verklärende poetischen Ergüsse seiner Partner vor anderen möglichst geheim zu halten – und daß Nietzsche zu Verschwiegenheit neigte, Geheimhaltung eine seiner Überlebensstrategien war, dies weist etwa gerade Schmidt an vielen Stellen nach. Nun hat aber Nietzsche diese für ihn – im Falle dahinterstehender päderastischer bzw. homoerotischer Beziehungen – gefährlichen Verse (170 Zeilen "Ortlepp", 96 Zeilen Grainer) offenbar keinesfalls geheimgehalten, wie sich erstens aus dem oben genannten Fakt ergibt, daß er, um die Neugier von Mutter und Schwester wohl wissend, dieses Album dort lagert, und zwar in Kenntnis der bereits bestehenden "Ortlepp"-Einträge mindestens bis 1861. Und er hat dies nämliche Album auch jeweils weiteren Dritten zu deren Einträgen ausgehändigt, obwohl in den späteren Fällen bereits sämtliche "Ortlepp"- und wohl auch die Granier-Verse bereits enthalten waren – wohl wissend, daß in solchen Fällen die Neueinträger sich sämtliche bereits enthaltenen Einträge zu Gemüte führen würden. Doch auch dies scheint Nietzsche offensichtlich keinerlei Probleme bereitet zu haben. Daher liegt wohl der Schluß fast zwingend nahe, daß Nietzsche selbst sich eben nicht als Gegenstand bzw. angedichtete/handelnde Person solcher Verse verstand – vielmehr gibt man solche Texte nur weiter, wenn man in dieser Hinsicht selbst ein "reines Gewissen" hat und gar nicht auf den Gedanken kommt, daß andere derartige Unterstellungen hinein interpretieren könnten. Insofern enthält die Argumentation Schmidts einen unauflöslichen Widerspruch, wenn er einerseits – und wohl mit Recht – Nietzsche als den großen Versteck- und Verschwiegenheitskünstler bereits in jungen Jahren nachweist, ihn hier aber andererseits geradezu als einen Naivling erscheinen läßt, der bedenkenlos gefährliche Geheimnisse sowohl seinen Verwandten wie weiteren Dritten zu lesen gibt. (15) Auch die Tatsache, daß dies Album überhaupt bis heute existiert, spricht eher gegen als für die Hypothese Schmidts; denn wenn Nietzsche selbst, seine Mutter oder seine Schwester tatsächlich von der von Schmidt unterstellten "Brisanz" dieser Texte ausgegangen wären, so wäre es ja ein Leichtes gewesen, entweder die entsprechenden Seiten (wie möglicherweise andere fehlende Seiten auch) oder das ganze Album verschwinden zu lassen. Es ist schließlich bekannt, wie empört Nietzsche auf die Unterstellung häufiger Masturbation durch Wagner/Otto Eiser reagierte – und da soll er selbst, wenn die Hypothese Schmidts denn wahr wäre, in ähnliche Richtung zielendes Material der Nachwelt frei Haus liefern? Und auch die ehrpusselige Schwester Elisabeth fand offensichtlich in diesen Texten nichts Ehrenrühriges, sonst hätten diese Blätter sicherlich nicht über Umwege ans Tages-, sondern den direkten Weg in ein verbrennendes Kerzenlicht gefunden. Da erscheint es doch viel wahrscheinlicher, daß diese Texte für Nietzsche eben gerade nicht die von Schmidt unterstellte Brisanz hatten: Weil er – naiverweise – an eine solche Interpretationsmöglichkeit gar nicht dachte. Versuchen wir noch eine weitere Herangehensweise an die Problematik von der Seite Nietzsches her. Wie sieht die innere Situation eines intelligenten Kindes aus, das sich betroffen von Lebenskatastrophen als zweifach entwurzelt erlebt? Einmal der Tod des Vaters und der erzwungene Wegzug aus dem geliebten Röcken, sodann das Herausreißen aus dem Familien- und Freundeskreis in Naumburg durch die Einschulung in Pforta – es kann wohl als sicher gelten, daß Nietzsche dadurch in sich und auf sich selbst zurückgeworfen wurde. Solchen Erlebnissen standhalten zu müssen ist oft der Anfang aller Reflexion ... Aber auch ein solch in sich gekehrter Junge (Nietzsche, sich selbst stilisierend: bereits mit sieben Jahren sei ihm bewußt gewesen, daß ihn seitens seiner Mitmenschen kein Wort wirklich erreichen könne ...) braucht dringend Vorbilder und Regulative – und so steht hier seine Flanke weit offen. Kommen noch die Wirrnisse der Pubertät hinzu, und dies war sicher bei dem 14-jährigen Nietzsche 1858, dem Beginn der Album-Einträge der Fall, so könnte ein solcher Jüngling Gegenstand solcher Texte wie derjenigen sein, die Schmidt Ortlepp zuschreibt. Die angeführten Katastrophen, die dadurch ausgelöste introvertierte Entwicklung wie die hinzukommende Pubertät, aber auch von der positiven Seite her, die Angebote, die ein solcher Lehrer im Geistigen und Menschlichen und außerhalb der strengen Schulordnung zu bieten hatte, könnten durchaus bewirkt haben, daß sich der jugendliche Nietzsche auf die von Schmidt vermutete Beziehung zu Ortlepp eingelassen hätte – daß er dabei allerdings gleichzeitig mit Anna Redtel 1863 Kontakte zum weiblichen Geschlecht knüpfte, ist ausreichend bekannt. Vielleicht steht ja aber auch das Scheitern dieses ersten Versuches einer heteroexuellen Beziehung hier in einem Zusammenhang? Jedenfalls eröffneten sich für entsprechende Erwachsene erhebliche Einfluß- und Autoritätsmöglichkeiten gerade gegenüber diesem Jugendlichen. Und so kommt es letztlich vielleicht weniger darauf an, ob die Verse in Nietzsches Album von Ortlepp oder einer dritten Person stammen – wichtiger scheint vielleicht, daß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Nietzsche mindestens zwischen 1858 und 1864 näheren Umgang mit Ortlepp hatte und möglicherweise in diesem einen gewissen Vaterersatz sehen konnte – welche Rolle für ihn später zeitweise Schopenhauer ("als Erzieher") und schließlich Wagner einnahmen. Und so mag H.J. Schmidt doch Recht haben, wenn er von einem großen Einfluß dieses Dichters auf den werdenden Philosophen spricht. Nahegelegt werden solche Überlegungen auch durch oft ganz unwahrscheinliche Koinzidenzien zwischen Bildungsinhalten und gedanklichen Konsequenzen zwischen Ortlepp und Nietzsche: Enge Parallelen finden sich im Ausgang vom klassischen Altertum wie in der antichristlichen Einstellung, die dann bei Nietzsche schon früh in der Verwendung griechischer Götterfiguren wie auch in der Feuerbach-Lektüre aufscheint. Die Liebe zur Dichtkunst wie zur Musik ebenso wie das Beharren auf der freiheitlichen Individualität des Menschen, auf dem Selbstdenken, das alles sind Wesenszüge bzw. Denkwege, die sich bei beiden decken. Als konkretes Beispiel mag hier etwa Byron dienen, den Ortlepp einst ins Deutsche übersetzt hatte, und den der junge Nietzsche sehr schätzte. Woher er ihn wohl kannte? All diese objektiven Erwägungen würden mithin einen frühen Einfluß Ortlepps auf den jungen Nietzsche nahelegen – andererseits scheint dem doch wieder folgende Überlegung im Wege zu stehen: Immer dann, wenn Nietzsche wie etwa in Schopenhauer oder Wagner einen anregenden Lehrer fand, konnte er nicht umhin, sofort seiner engsten Umgebung davon überschwänglich zu berichten und seine Freunde in diesen Verkehr mit hineinzuziehen. Warum hören wir in diesem Fall in keiner Richtung ein solches Wort von ihm, insbesondere etwa zu seinen Germania-Freunden Krug und Pinder, die ganz sicher Ortlepp ebenfalls kennen mußten? Sondern nur die merkwürdig lakonische Bemerkung aus der Briefstelle? Um zu dieser zurückzukehren und den Kreis zu schließen noch ein Wort zu dem unglücklichen Ernst Ortlepp, von dem übrigens bis heute noch keinerlei bildliche Darstellung aufgefunden wurde, so vergessen ist er ...: Die eigentliche Todesursache ist bis heute recht unklar: Unfall – wovon die damaligen Behörden ("ertrunken") und Nietzsche ("brach den Nacken") in seinem eingangs zitierten Brief ausgingen –, Selbstmord oder Mord, alles scheint möglich. Hören wir dazu nochmals den Bericht Nietzsches und dessen aus dem sonstigen Rahmen des Briefes herausstechenden Tonfall: "Der alte Ortlepp ist übrigens todt. Zwischen Pforta und Almrich fiel er in einen Graben und brach den Nacken. In Pforta wurde er früh morgends bei düsterem Regen begraben; vier Arbeiter trugen den rohen Sarg; Prof. Keil folgte mit einem Regenschirm. Kein Geistlicher." Dazu existiert in der deutschen Literatur eine berühmte Parallelstelle, die der junge Vielleser Nietzsche mit Sicherheit gekannt hat: "Nachts gegen eilfe ließ er ihn an die Stätte begraben, die er sich erwählt hatte. Der Alte folgte der Leiche und die Söhne, Albert vermochts nicht. Man fürchtete für Lottens Leben. Handwerker trugen ihn. Kein Geistlicher hat ihn begleitet." Sollte dieser Gleichklang in Ton und Formulierung wirklich nur Zufall sein? Oder hat Nietzsche hier nicht bewußt auf Goethes Schluß der "Leiden des jungen Werther" (16) Bezug genommen? Es ist der Selbstmörder, den keine Geistlichen begleiten – für Werther gilt dies. Und Ortlepp? Gibt damit Nietzsche also einen versteckten Hinweis? Noch wahrscheinlicher wird diese Selbstmord-Hypothese durch verschiedene Gedichtzeilen Ortlepps, die mehrfach in seiner letzten Publikation, der "Klänge aus dem Saalthal", die Todessehnsucht des Dichters hörbar werden lassen. So etwa mit den folgenden Versen: Und sterb‘ ich nun, so stürb‘ ich gern Oder: Da steht noch der Wand’rer und sinnt noch einmal, Nach meinen Informationen befaßt sich, durch Prof. Schmidt auf die Spur gesetzt, nunmehr ein ehemaliger Kriminalbeamter nochmals mit dem Fall auf Basis der vorhandenen Unterlagen und Aussagen. Wir dürfen also gespannt sein, was hier noch zu Tage gefördert wird; einstweilen aber könnten wir, etwa durch unsere Zeitschrift Aufklärung und Kritik, dazu beitragen, diesem freisinnig-aufrechten wie unglücklichen und heute so ganz vergessenen deutschen Dichter, wie damals die Pforteschüler, ein kleines Denkmal zu setzen – indem wir dort sein "Vaterunser des 19. Jahrhunderts" publizieren? Anmerkungen: (1) HKGA Briefe, I, 250 (2) Am 15. Juni 1864 hatte das Naumburger Kreisbaltt Nr. 49 berichtet: (3) s. etwa Bernd A. Laska, im Internet unter http://www.virtusens.de/walther/laska.htm und unter http://www.lsr-projekt.de/nietzsche.html. (4) Rezension in A&K Heft 17, März 2002, 9. Jahrgang Nr. 1 (5) Hermann Josef Schmidt, Nietzsche absconditus oder Spurenlesen bei Nietzsche, II. Jugend, 2. Teilband 1862-1864, Alibiri (IBDK)-Verlag 1994, S. 694 ff. (6) GSA 71/374a (7) HKGA Briefe I, 156 (8) Zur Veranschaulichung ein Beispiel (Hermann Josef Schmidt, Der alte Ortlepp war’s wohl doch, Alibri Verlag Aschaffenburg 2001, S. 390): Granier (3. "Dahin", 3. Strophe:) (9) aaO. S. 386/388 (10) Hermann Josef Schmidt, Der alte Ortlepp war’s wohl doch, Alibri Verlag Aschaffenburg 2001 (11) Zitiert nach Hermann Josef Schmidt, Eine rätselhafte und doch konsequenzenreiche Beziehung: Friedrich Nietzsche und Ernst Ortlepp. Eine Skizze. A&K Sonderheft 4/2000, Schwerpunkt Friedrich Nietzsche, S. 70/71 (12) s. Thomas Otto Schneider, "Vom Zustand der Ekstase", Der Magier Ernst Ortlepp und der Adept Nietzsche, A&K Sonderheft 4/2000, Schwerpunkt Friedrich Nietzsche, S. 84 (13) Hermann Josef Schmidt, Der alte Ortlepp war’s wohl doch, Alibri Verlag Aschaffenburg 2001, S. 359ff.; s.a. Hermann Josef Schmidt, "Dichterschicksals Wolke?". Ernst Ortlepps Weg nach Zeitz, Schriften der Ernst-Ortlepp-Gesellschaft zu Zeitz, Nr. 1, Verlag Janos Stekovics 2001, S. 12 ff. (14) Bei dem Epilog handelt es sich in der Hauptsache um Heine-Zitate. Hier zum Vergleich eine Gegenüberstellung des genauen Wortlautes des Epilogs mit den Heine-Gedichten aus dem Buch der Lieder, Heimkehr: I. Album: Epilog. Uebersetzung des Motto. Mel: Carneval v. Venedig: II: Heine, Buch der Lieder, Heimkehr (zit. nach Heinrich Heine, Werke Bd. I, Hg. Paul Stapf, Verlag R. Löwit, Wiesbaden) LV Ich wollte bei dir weilen Ich sagte, daß meine Seele Du hast noch mehr gesteigert Glaub nicht, daß ich mich erschieße, LIX Ich hab mir lang den Kopf zerbrochen, Jetzt bleib‘ ich, wo deine Augen leuchten, (15) Zu bedenken wäre hier allerdings die tatsächliche Naivität Nietzsches in "Liebesdingen", die sich etwa auch 1882 im Umgang mit Lou von Salomé zeigte: Letztere reichte das ebenso berühmte wie zweifelhafte, hauptsächlich von Nietzsche veranlaßte Peitschen-Foto mit Lou und Rée (s. Lou Salomé-Seite 1) bei den Festspielen in Bayreuther Kreisen überall herum, was Nietzsche dort lächerlich machte und ihr den Haß der Schwester N.s eintrug. Auch dieser Verfänglichkeit hat sich N. offensichtlich im Überschwang der Gefühle ohne irgendwie darüber zu reflektieren ausgesetzt – wäre ein solcher "Leicht-Sinn" nicht um so mehr für den Jugendlichen wahrscheinlich? Siehe im übrigen zur Diskussion um Nietzsches Sexualität auch auf der Lou-Dkomenten-Seite 3. (16) Goethes Werke, Dritter Band, Tempel-Klassiker, Emil Vollmer Verlag Wiesbaden, S. 294 (17) Hermann Josef Schmidt, Nietzsche absconditus oder Spurenlesen bei Nietzsche, II. Jugend, 2. Teilband 1862-1864, Alibiri (IBDK)-Verlag 1994, S. 734 Ernst-Ortlepp-Kolloquium und Denkmalseinweihung 2004 in Schulpforte Am Freitag, den 11. Juni 2004 hatte die Ernst-Ortlepp-Gesellschaft zusammen mit der Landesschule Pforta und dem Landesheimatbund Sachsen-Anhalt e.V. zu einem Kolloquium über Ernst Ortlepp sowie zur Denkmalseinweihung ihm zu Ehren geladen. Hier das Programm: Die Mitteldeutschen Zeitung berichtet darüber im Internet am 15. Juni 2004: Ernst Ortlepp - Eine Heimkehr ins Saaletal In Schulpforte wurde der Dichter und "Fürst in Lumpen und Loden" gefeiert VON CHRISTIAN EGER
Einige Bilder aus Pforta von Einweihung, Ausstellung und Kolloqium:
Hier ein weiterer Pressebericht, den Roland Rittig zur Verfügung gestellt hat:
Schulpforte. Mit der Enthüllung einer Gedenktafel auf dem Alten Friedhof in Schulpforte, die an Ernst Ortlepp (1800 bis 1864) erinnern soll, begann gestern das Ernst-Ortlepp-Kolloquium 2004 in der Landesschule. Das Kolloquium stand unter dem Motto "Ich dichte fort, bis dieses Leben schwindet". Eingeladen dazu hatte die Landesschule Pforta, der Landesheimatbund Sachsen-Anhalt und die Ernst-0rtlepp Gesellschaft. Der lange vergessene, erst seit zirka fünf Jahren wiederentdeckte Dichter starb vor 140 Jahren und wurde auf dem Friedhof zu Schulpforte begraben. Wo genau er beigesetzt wurde, ist heute nicht mehr auszumachen, so der Rektor der Landesschule, Karl Büchsenschütz. Er hielt aus Anlass der Gedenktafelenthüllung eine Rede. Der Rektor verwies darauf, dass 0rtlepp von 1812 bis 1819 Schüler in Pforta war. Ortlepp ging weg von der Heimat, um die Freiheit zu finden. Der Dichter habe den Geist der Freiheit im Dichten gefunden. Am Schluss seines Lebens sei es ihm gelungen, Anschluss zu finden an die Welt seiner Jugend, indem er wieder in Pforta als Aushilfsorganist tätig wurde. Büchsenschütz würdigte das umfangreich dichterische Werk Ortlepps, von dem jedoch nur wenig verlegt worden sei. "Deswegen wird er nicht vergessen. Deswegen pflanzt sich sein Geist hier fort", so Büchsenschütz. Er dankte Professor Dr. Hermann Josef Schmidt, Roland Rittig und Rüdiger Ziemann. Wenn sie nicht geforscht hätten, wäre Ortlepp verschollen geblieben." Büchsenschütz dankte auch Christian Späte, der "eine dem Geist des Toten angemessene Tafel angefertigt hat". Ortlepp sei einer von 20 000 Schülern, der "wieder ins Gedächtnis gekommen ist". Im Anschluss an diesen feierlichen Akt wurde in der Klosterkirche eine Ausstellung mit Bildern von Dieter Goltzsche und Dr. Walter Weiße eröffnet. Gezeigt werden "Bilder zu Ortlepp" aus dem Bestand der Ernst-Ortlepp-Bibliothek des Museums Schloss Moritzburg in Zeitz. Professor Hermann Josef Schmidt meinte, dass die Ausstellungseröffnung der zweite Akt der Heimholung Ortlepps sei. Er verwies darauf, dass Ernst Ortlepp bereits mit zwölf Jahren Schüler in Pforta war. An dem Ort, wo nun die Bilder zu sehen sind, habe er seinen Orgeldienst verrichtet. Der spätere Dichter, ein Pfarrerssohn, sei ein "Spitzenschüler" gewesen und habe als Genie gegolten. 1851 kam er als Wrack zurück und spielte ab 1853 wieder die Orgel in der Klosterkirche. Die ist nicht mehr vorhanden, stattdessen sind bis August hier die Bilder von Weiße und Glotzsche zu sehen. Bilder, in denen sich die beiden Künstler mit Dichter und Werk auseinander setzen. Schmidt sprach von einem "Perspektivenwechsel". Ortlepp sei am Ort seines Wirkens nun Gegenstand von Zeichnungen und Gemälden.
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