Helmut Walther (Nürnberg) Der junge Nietzsche Überarbeitete und erweiterte Fassung eines Vortrages vom 08.05.2002 Der heutige 8. Mai vor 57 Jahren markierte mit dem Ende des Zeiten Weltkrieges auch eine Kehrtwendung in der Nietzsche-Rezeption: Vom Leib- und Magenphilosophen des Dritten Reiches mutierte der Philosoph nunmehr zum Buhmann. Eingeleitet hat diese Wende etwa Otto Flake mit seinem "Rückblick auf eine Philosophie" von 1946, der neben einer konsequent einseitigen Interpretation des Nietzscheschen Polyperspektivismus bereits damals mit dem Mittel der homosexuellen Diffamierung arbeitete.(1) Dieser Wandel in der Nietzsche-Auffassung läßt sich auch bei Thomas Mann feststellen, zu dessen "Hausgöttern" Nietzsche einst zählte.(2) In Frankreich dagegen blieb die Wirkung Nietzsches (bis heute) ungebrochen, und so freundete sich auch die deutsche 68er Generation auf ihre Weise wieder mit dem "Philosophen mit dem Hammer" an. Nietzsche hätte die lebendige Wirksamkeit seiner Gedankengänge bei den Franzosen übrigens gefreut – er kannte das "Flachland Europas" und seine Deutschen eben, bei denen es meist nur zu einem einseitigen Mißbrauch und damit eigentlichem Nichtverstehen seiner Gedankengänge reichte, demgegenüber er die Einfühlsamkeit des französischen Esprit hochschätzte. Neuestens plünderte in solcher Weise hier P. Sloterdijk Nietzsche für seine eigenen "Menschenpark-Versuche".(3) All diesen einseitigen Interpretationsperspektiven gegenüber betont H. J. Schmidt, Professor der Philosophie in Dortmund und Veranstalter der dortigen Nietzsche-Kolloquien, Autor der 4 Bände umfassenden Darstellung der Entwicklung des jungen Nietzsche Nietzsche absconditus(4) sowie Mitherausgeber von Aufklärung und Kritik, zu Recht, daß es an der Zeit sei, das Verständnis der Philosophie Nietzsches aus einer genetischen Sicht heraus zu entwickeln, die sich an Nietzsche selbst orientiert. Existiert doch eine große Menge jugendlicher Texte, ohne deren Kenntnis die Gedankengänge (und deren Herkunft) wie wohl auch die Bedeutung Nietzsches für uns heute nicht entsprechend eingeordnet werden können. Im Folgenden soll daher sowohl der persönlichen wie der schriftstellerischen Entwicklung Nietzsches von der Geburt bis zum Beginn des Studiums nachgegangen werden. Dieser Zeitraum läßt sich zwanglos in drei Perioden unterteilen, nämlich a) 1844 – April 1850 Kindheit in Röcken b) 1850 – 1858 Schulzeit in Naumburg c) 1858 – September 1864 Gymnasiast in Schulpforta(5) Von 1850 an existieren einige, meist Ferienbriefe des Schülers an einzelne Familienmitglieder; erst seit er von Oktober 1858 an in Pforta von der Familie getrennt ist, nimmt naturgemäß der Briefwechsel erheblich zu. Die poetischen und kompositorischen Versuche des Knaben setzen 1854 ein. Soviel zum zeitlichen Überblick – gehen wir zurück nach Röcken im Oktober 1844: Karl Ludwig Nietzsche, der Vater Friedrichs, ist geboren am 10.10.1813 in Eilenburg bei Leipzig als Sohn des Superintendenten Dr. theol. Friedrich August Ludwig Nietzsche (1756-1826) und der Mutter Erdmuthe Dorothea Krause (1778-1856); letztere war in erster Ehe mit dem Hofadvokaten Krüger in Weimar verheiratet und erlebte dort zugleich mit Goethe die Besetzung Weimars durch die Franzosen, den sie also wohl gekannt haben dürfte. Karl Ludwig selbst war ebenfalls studierter Theologe und zunächst Erzieher der Prinzessinnen in Altenburg am herzoglichen Hof. 1842 erhielt er "auf allerhöchsten Befehl" des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm IV. die Pfarrstelle im Dorf Röcken bei Lützen in der Provinz Sachsen, und begründete dort zusammen mit seiner Mutter und seinen beiden Schwestern einen eigenen Hausstand. Am 10. Oktober 1843, seinem 30. Geburtstag, heiratete er die aus dem nahen Ort Pobles stammende Tochter seines Amtsbruders David Ernst Oehler. Die damals 17-jährige Franziska Ernestine Rosaura Oehler wurde am 02.02.1826 in Pobles geboren als 6. Kind (von 11) des Pfarrers David Ernst Oehler (1787-1859) und der Mutter Johanna Elisabeth Wilhelmine Hahn (1794-1876)
Im Stammbaum der Familie Nietzsche, wenn man ihn weiter zurück- und querverfolgt, finden sich einige Überraschungen, und zwar Verwandtschaft 1. über die Mutter mit Richard Wagner (!) 2. über den Vater mit den Gebrüdern Schlegel, den Frühromantikern, 3. und dem Feldmarschall Gneisenau. Der Vater wird als sehr begabt und pflichtbewußt geschildert; auch war er sehr musikalisch und spielte ausgezeichnet Klavier, insbesondere in freier Improvisation; dieses Erbteil hat sein Sohn offenbar von ihm mitbekommen, der den Vater schon als einjähriges Kind bewußt am Klavier hörte, was ihm zeitlebens unvergeßlich blieb. Die Mutter Franziska, die gerade noch mit Puppen gespielt hatte, soll ein "Wildfang" und dabei sehr hübsch gewesen sein – so hatte sie den bereits gesetzten und etwas förmlichen, in familiäre und berufliche Pflichten eingebundenen Karl Ludwig sogleich unwiderstehlich angezogen. Am 15. Oktober 1844, dem Geburtstag des königlichen Landesherrn, wurde beiden der nach diesem benannte Sohn Friedrich Wilhelm geboren. Der Vater war einst dem Preußenkönig persönlich begegnet, ja, man rechnete ihm Chancen als Berliner Hofprediger zu.
"Du gesegneter Monat Oktober, in welchem mir in den verschiedenen Jahren alle die wichtigsten Ereignisse meines Lebens geschehen sind, das, was ich heute erlebe, ist doch das Größeste, das Herrlichste, mein Kindlein soll ich taufen! Oh seliger Augenblick, oh köstliche Feier, oh unaussprechlich heiliges Werk, sei mir gesegnet im Namen des Herrn! – Mit dem tiefbewegtesten Herzen spreche ich es aus: So bringt mir denn dies mein liebes Kind, daß ich es dem Herrn weihe. Mein Sohn, Friedrich Wilhelm, so sollst Du genennet werden auf Erden, zur Erinnerung an meinen königlichen Wohlthäter, an dessen Geburtstag Du geboren wurdest." So Karl Ludwig an der von ihm selbst durchgeführten Tauffeier in der Röckener Kirche.(6)
Ausschnitt Video Röcken (Kircheninnenraum) Nach dem Bericht der Schwester lernte Friedrich erst spät, mit 2½ Jahren, sprechen(7); dieses dafür dann umso schneller – und mit dem Lesen und Schreiben ist er bereits früh mit vier Jahren dran. Seit seinem 5. Geburtstag geht er in Röcken täglich eine Stunde zur Schule. Im übrigen ist es mit der Glaubwürdigkeit dieser schwesterlichen Berichte zur Jugend von "Fritz" so eine Sache; bereits 1895 merkt die Mutter dazu an: In ihrer Nietzsche-Biographie fabuliere Elisabeth über die Jugendzeit "ganz außerordentlich, denn ich habe doch alles miterlebt, habe die Spiele der Kinder geleitet ja selbst mitgespielt, u. sie waren keineswegs so geistig wie sie geschildert sind, aber das machts nicht." Unsinn sei auch, "daß Fritz 2½ Jahre gewesen wäre ehe er sprechen lernte u. wir den Dr. zu Rathe gezogen hätten; dieser ... hatte ein gr. Pläsier an dem kräftigen Knaben, als er aber nach den Jahren noch nicht sprechen konnte, sagte ich so beiläufig einmal zu ihm ‚nur daß er noch nicht sprechen will‘, darauf sagte er ‚ja sie geben zu sehr auf seine Zeichen acht wie er seinem Willen ausdruck giebt‘ u. so that ich dies von da an nicht mehr." ... "Kurz die Biographie ist ‚Wahrheit u. Dichtung‘".(8) Die Schwester schildert ihn jedenfalls als "sehr leidenschaftlich, was er aber später nicht gern hörte, da er der Nietzsche’schen Familientradition gemäß sich früh zu beherrschen lernte."(9) Nun, diese "Selbstbeherrschung" fällt nicht vom Himmel; im Pfarrhaus gab es verschiedene "Beruhigungsmittel" für das leidenschaftliche, aber noch "sprachlose" Kind: Schrie es aus unbestimmten Gründen, wurde der Vater zum "Musikmachen" gebeten, und sogleich wurde "Fritzchen mäuschenstill, setzte sich aufrecht in seinem kleinen Wagen und verwandte kein Auge von dem Spielenden."(10) Das zweite und dritte – beides wohl gleichermaßen "wirksame" – Mittel schildert der Vater in einem Brief 1846 (Friedrich war also gerade mal zwei Jahre alt!): "Bruder Fritz ist ein wilder Knabe, den manchmal allein der Papa noch zur Raison bringt, sintemalen von diesem die Ruthe nicht fern ist; allein jetzt hilft ein Anderer mächtiger miterziehen, denn das ist der liebe heilige Christ, welcher auch bei dem kleinen Fritz schon Kopf und Herz ganz eingenommen hat, daß er von nichts Anderem sprechen und hören will als vom >heile Kist!<"(11) Hier sehen wir auf engstem Raume eine doppelte, und damit auch doppelt unheilvolle Konditionierung des sprach- und wehrlosen Kleinkindes vor uns: Durch körperliche Züchtigung wird einerseits auf die freie Entfaltung der Emotionalität negativ eingewirkt, die es so von frühester Kindheit an in sich zurückzwingt; gleichzeitig wird es christlich indoktriniert. Wie mag es da auf den kleinen Fritz gewirkt haben, wenn er seinen Vater im Talar als den Mittelpunkt des Gottesdienstes in der Röckener Kirche erlebte? Reiner Bohley, dessen verdienstvolle Forschungen zum jungen Nietzsche H. J. Schmidt ausführlich zur Sprache bringt, sieht hier "die Maxime der Pietisten" am Werke: "Der Eigenwille eines Kindes muß gebrochen werden, damit das Kind später offen sein kann (!) für Gottes Wille". Und Schmidt selbst kommentiert: "der Vater setzt alle ihm zugänglichen Mittel ein, um das Eine zu erreichen, den Eigenwillen seines Erstgeborenen zu brechen, ihn auf Religion und elterliche Moral zu fixieren."(12) Am 10.07.1846, Friedrich war noch keine zwei Jahre alt, brachte seine Mutter die Schwester Elisabeth zur Welt, was für den Erstgeborenen naturgemäß einen Einschnitt in der bislang auf ihn allein fixierten Zuwendung der Mutter bedeutete; konnte sie sich doch vorher in der Hauptsache diesem Kind widmen, da die Hauhaltsleitung wie -führung in den Händen der Schwiegermutter und der Tanten lag. Unvermeidlicher Weise gebar Franziska bereits im Februar 1848 ihr drittes Kind Ludwig Joseph, was eine weitere Teilung der mütterlichen Aufmerksamkeit erzwang. Zu dieser Zeit machte sich selbst bis ins abgelegene Röcken die 48er Revolution geltend, denn im Pfarrhaus wurden Husaren einquartiert, wie Nietzsche in seinem Lebenslauf vom Mai 1861 berichtet.(13) Während Ludwig Feuerbach sich nach Frankfurt begibt und im Frühjahr 1849 in Heidelberg seine Vorlesungen zum "Wesen der Religion" hält, bricht über die Familie Nietzsche eine doppelte Tragödie herein: Im August 48 erkrankt der Vater an "Nervenabspannung" und "Gehirnaffektion", was Elisabeth später mit einem angeblichen Sturz von der Treppe zu erklären sucht(14). Friedrich selbst spricht in seinem Lebenslauf von 1858(15) davon, daß sein Vater "plötzlich gemüthskrank" wurde und der beigezogene Arzt eine "Gehirnserweichung" feststellte. "Ungeheure Schmerzen mußte mein geliebter Vater ertragen, aber die Krankheit wollte sich nicht vermindern, sondern sie wuchs von Tag zu Tag. Endlich erlosch sogar sein Augenlicht und in ewigen Dunkel mußte er noch den Rest seiner Leiden erdulden." Er hielt die Erkrankung des Vaters für ein Erbübel und fürchtete sich Zeit seines Lebens selbst davor. Schließlich starb der Vater am 30.07.1849 – was mag das Kind in dieser Zeit alles miterlebt und gedacht haben? Gott hatte die Vielzahl der Gebete der Familie und des kleinen Fritz zur Rettung seines Vaters offenbar nicht erhört, und so setzt H. J. Schmidt mit guten Gründen bereits hier einen Impuls zur innerlichen Abkehr von der christlichen Religion an. So etwa unter Hinweis auf Nr. 72 in Menschliches Allzumenschliches, wo er den Tod des Vaters als Quell von Nietzsches leidenschaftlicher Entrüstung dingfest macht: "Grad der moralischen Erhitzbarkeit unbekannt. – Daran, dass man gewisse erschütternde Anblicke und Eindrücke gehabt hat oder nicht gehabt hat, zum Beispiel eines unrecht gerichteten, getödteten oder gemarterten Vaters [Hervorhebung d. Verf.], einer untreuen Frau, eines grausamen feindlichen Ueberfalls, hängt es ab, ob unsere Leidenschaften zur Glühhitze kommen und das ganze Leben lenken oder nicht. Keiner weiß, wozu ihn die Umstände, das Mitleid, die Entrüstung treiben können, er kennt den Grad seiner Erhitzbarkeit nicht."(16) Bei Nietzsche selbst wird diese "Erhitzung" bis 1888, etwa im Antichrist, anhalten, wenn sie nicht sogar selbst Mitbedingung für seinen geistigen Untergang ist. Andererseits: "Ödipale" Überlegungen im Sinne Freuds, daß etwa Nietzsche den Tod seines Vaters selbst herbeigewünscht habe und nun durch dessen tatsächlichen Eintritt von Schuldgefühlen heimgesucht wurde, scheinen mir weniger relevant: Solche Vermutungen entbehren im Falle Nietzsches jedes konkreten Nachweises, obwohl von ihm und über ihn derart viel aus der Kindheit überliefert ist wie selten; im Gegenteil wird aus den meisten biographischen Aufzeichnungen des Knaben der tiefe Schmerz über den Vaterverlust deutlich. So stützen sich solche Annahmen allein auf die Freudsche "Ödipus-Hypothese", die jedoch selbst heute (mindestens ...) umstritten ist. Eher schon scheint sich mir in jenem "Gespenst" "hinter seinem Stuhle", das Nietzsche wiederholt heimsucht, in der Maske des Vaters "Gott selbst" zu verbergen – als jene abendländische Denkfigur der "höchsten Idee", die als anerzogener Reflex wiederkehrt – Gespenster sind ja "Wiedergänger"! Die Forderung "Gott ist tot" will vor allem auch dieses den eigenen, durch christliche "Lehren" konditionierten Gehirnwindungen entspringende Gespenst endgültig bannen. Kaum war der Vater zu Grabe getragen – "Um 1 Uhr Mittag begann die Feierlichkeit unter vollen Glockengeläute. Oh, nie wird sich der dumpfe Klang derselben aus meinem Ohr verliehren, nie werde ich die düster rauschende Melodie des Liedes ‚Jesu meine Zuversicht!‘ vergessen!"(17) –, nahte im Januar 1850 schon die nächste Katastrophe, die sich Friedrich in einem Traum ankündigte: "In der damaligen Zeit träumte mir einst, ich hörte in der Kirche Orgelton wie beim Begräbniß. Da ich sah, was die Ursache wäre, erhob sich plötzlich ein Grab und mein Vater im Sterbekleid entsteigt denselben. Er eilt in die Kirche und kommt in kurzen mit einem kleinen Kinde im Arm wieder. Der Grabhügel öffnet sich, er steigt hinein und die Decke sinkt wieder auf die Oeffnung. Sogleich schweigt der rauschende Orgelschall und ich erwache. – Denn Tag nach dieser Nacht wird plötzlich Josepfchen unwohl, bekommt die Krämpfe und stirbt in Wenig Stunden. Unser Schmerz war ungeheuer. Mein Traum war vollständig in Erfüllung gegangen."(18) So die rückblickende Schilderung 1858.
Anfang April muß die Familie das Pfarrhaus für den Nachfolger räumen und Röcken verlassen – "Adde, adde, theures Vaterhaus!", notiert Friedrich diesen für ihn schmerzlichen Verlust der ländlichen Heimat in seinem Lebenslauf, und er wird zeitlebens sowohl dies naturverbundene Kindheitserleben im Röckener Pfarrhaus wie auch die Kirche des Vaters mit dessen und des Bruders Grab nicht vergessen – in seinen frühen Gedichten spiegelt sich dies nur allzu häufig; als 16-Jähriger etwa versucht er diese schmerzlichen Erinnerungen poetisch zu verarbeiten in seinem Gedicht Abschied: "Aber die Wehmut ist in dem fühlenden Herzen geblieben, / Nichts auf der Welt vermag davon die Seele befrein. / Doch jetzt brechen von neuem die Narben und bluten in Strömen, " (hier bricht das Gedicht ab...)(19)
Die Familie wendete sich zur nahegelegenen Stadt, Naumburg, wo die Großmutter Erdmuthe noch über Verbindungen verfügte; hatte sie doch vor ihrer Hochzeit mit ihrem zweiten Mann Friedrich August Ludwig Nietzsche längere Zeit bei ihrem Bruder, dem damaligen Domprediger in Naumburg, gelebt. So standen die Nietzsches von Anfang an in Kontakt zu den "besseren Kreisen" Naumburgs.
Die Großmutter verwaltete jetzt das kleine bislang angesparte Vermögen der Familie, und so war es natürlich, daß sowohl ihre eigenen Töchter ("Tante Rosalie", zuständig für die "geistlichen Angelegenheiten", "Tante Auguste", im Verein mit dem ebenfalls mitgenommen Dienstmädchen "Mine" zuständig für den Haushalt) sowie ihre Schwiegertochter Franziska samt den verbliebenen Enkeln Friedrich und Elisabeth mit ihr zogen. Franziska selbst bezog ein Witwengeld in Höhe von 46 Talern sowie eine kleine Beihilfe vom Altenburger Hof.(20) Selbstverständlich bewohnte die Schwiegermutter Franziskas die schönsten Räume; die Schwiegertochter stand, damals gerade 24-jährig und finanziell abhängig, unter deren Fuchtel und mußte sich mit ihren zwei Kindern mit den hinteren und dunkleren Räumen begnügen. Auch hatte bei der Schwiegermutter strikte Ruhe zu herrschen, und so läßt sich der Kontrast zwischen dem freien Leben in Röcken und dieser Eingezwängtheit in der Kleinstadt leicht ausmalen(21). "In meiner Erinnerung erscheint mir das damalige Naumburg als eine streng christliche, konservative und königstreu gesinnte Stadt, eine Stütze des Thrones und des Altars" – beschreibt die doch selbst stockkonservative Elisabeth ihren Eindruck. Friedrich wurde nun auf die Knabenbürgerschule geschickt, in der er sich, "ernsthaft" und "nachdenklich", wie er durch Erziehung wie Ereignisse geworden war, einsam fühlte; auch galt er bereits von früh an wegen seiner gewählten und pathetischen Ausdrucksweise als "der kleine Pastor". Ein bezeichnendes Erlebnis schildert seine Schwester: "Eines Tages strömte gerade am Schluß der Schule ein tüchtiger Platzregen hernieder; wir sahen die Priestergasse entlang nach unserem Fritz aus. Alle Jungens stürmten wie das wilde Heer nach Hause, – endlich erscheint auch Fritzchen, welcher ruhig daher schreitet, die Kappe unter der Schiefertafel verborgen, sein kleines Taschentuch darüber gebreitet. Mama machte ihm Zeichen und rief ihm schon von weitem zu: "so lauf doch nur." Der strömende Regen verhinderte seine Antwort zu hören. Da unsere Mutter ihm, als er vollkommen durchnäßt ankam, darüber Vorwürfe machte, sagte er ernsthaft: ‚Aber Mama, in den Schulgesetzen steht: Die Knaben sollen beim Verlassen der Schule nicht springen und laufen, sondern ruhig und gesittet nach Hause gehen.‘"(22) Bereits in der Kindheit also treffen wir auf jene Eigenart Nietzsches, die sich sein ganzes Leben hindurch beobachten läßt: sich ein förmliches Wesen zu geben – in seinem Schreiben wiederholt sich dieses Ringen um die Form, wovon er, wie wir sehen werden, bereits früh ein Bewußtsein hat. Die Form ist bei Nietzsche im Leben wie im Schreiben Versteck, Schutzwehr und Wirkmittel zugleich. Zunächst teilten sich die beiden Kinder in Naumburg ein Zimmer, was H. J. Schmidt dazu veranlaßt, die Hypothese des Inzests zwischen den Geschwistern nicht nur zu diskutieren, sondern für wahrscheinlich zu halten. Ein Hauptbeleg Schmidts: "Werde suchen mir ein Schwans / Wo das Zipfelch<en> noch ganz"(23) – ein Vers aus einem der frühesten bewahrten Gedichte Phantasie II von 1854/55. Auch diskutiert er ausführlich die Authentizität des Machwerks "My Sister and I by Friedrich Nietzsche", übersetzt von Oskar Levy, der als erster den "gesamten Nietzsche" ins Englische übertragen hatte. Dieses "Traktat" soll Nietzsche "1889 oder 1890" bereits geistig umnachtet in der Jenaer Nervenheilanstalt verfaßt haben; auf unbekannten und abenteuerlichen Umwegen sei es nach Amerika gelangt und von dort 1951 wieder nach Europa. Schmidt spricht selbst von einer "Hollywood-Story", hält es aber jedenfalls für möglich, daß einzelne Teile dieses Textes vom kranken Nietzsche in Jena verfaßt worden sein könnten(24). Dankenswerter Weise bringt er dazu einige Originalzitate, und so mag sich der Leser selbst ein Bild machen, ob Nietzsche wirklich so geschrieben haben würde – gerade auch im Hinblick auf die ja schon eingetretene geistige Umnachtung?! Man muß sich dazu den Ton seiner Wahnzettel oder auch der allerletzten Schriften von Ende 1888 in Erinnerung rufen – doch was soll Nietzsche hier niedergeschrieben haben?! "Es geschah zwischen mir und Elisabeth in der Nacht, als unser junger Bruder Joseph starb, obwohl wir keine Ahnung hatten, daß er im Sterben lag, als sie in mein Bett kroch, unter dem Vorwand, daß ihr kalt war, und daß sie wisse, wie warm ich immer war. ... Plötzlich fühlte ich Elisabeths warme kleine Hände in meinen, ihre zische[l]nde kleine Stimme in meinem Ohr, und ich fing an, mich überall warm zu fühlen." "Ich liebte und grollte zugleich [über] diesen Reichtum an Wärme, den Elisabeth mir brachte, in diesen unerwarteten Stunden der Nacht. Ich war gewöhnlich in einem gesunden Schlaf, wenn sie in mein Bett kam, und aufwühlend ..., wie ich die Dienste ihrer fetten kleinen Finger fand, bedeutete es gleichzeitig, daß ich für Stunden und Stunden wachgehalten wurde." "Trotz ihrer inzestuösen Neigungen war Elisabeth sowohl eine Mutter als auch ein Vater für mich. Ohne ihre strenge Disziplin hätte mein Genius in früher Jugend vernichtet werden können, als ich erkannte, daß Gott tot war." (25) Solch platte und vulgäre Sätze soll Nietzsche geschrieben haben? So geisteskrank konnte er gar nicht werden ... Aber auch sachlich paßt hier nichts: In der Sterbenacht des Bruders träumte er laut seiner hier bereits zitierten Autobiographie dessen Tod im Voraus – am Morgen erlebt er den Traum als eingetretene Wirklichkeit – und ausgerechnet da soll er – selbst gerade fünf Jahre, seine Schwester dreijährig – mit ihr inzestuöse Spielchen getrieben haben? Wer soll, will das glauben? Das ist gegen alle Plausibilität. Und dann die Schilderung der Schwester im letzten Zitat als "Mutter und Vater", ihrer "Disziplin" zusammen mit seiner (angeblich schon damals vorhandenen) Erkenntnis des Gottestodes! Das steht im Widerspruch zu allem, was wir über das Verhältnis der beiden wissen; Elisabeth schaute von Jugend an zu ihrem Bruder auf, er war für sie "von frühester Jugend an eine Autorität ersten Ranges", und er benahm sich ihr gegenüber meist etwas gönnerhaft – gerade auch in der Diskussion von "Religionssachen", wie ein Brief in Sachen Strauss und dessen "Leben Jesu" ausweist (und zwar erst 1865 aus Bonn! – "frühe Jugend"?!)(26) Man sehe dazu auch den aufschlußreichen Bericht Elisabeths, die im Alter von sieben Jahren noch an den Storch glaubte, was Fritz ihr damit verwies, daß der Mensch ein Säugetier sei.(27) Wechselweise werden weiterhin von Schmidt die Hypothesen Masturbation, "Homoerotik" und Päderastie geprüft, bzw. etwa von Joachim Köhler(28) Nietzsche direkt unterstellt; die unselige und einseitige Libido-Theorie Freuds wird ausgiebig an Nietzsche durchdekliniert, unter anderem auch im Hinblick auf die neugewonnenen Freunde Nietzsches in Naumburg: Im Hause der Geheimrätin Pinder, einer Freundin von Großmutter Erdmuthe, lernte Nietzsche deren Enkel Wilhelm Pinder und Gustav Krug kennen, die seine wichtigsten Jugendfreunde wurden. Mit Pinder teilt er das Interesse für Poesie und Literatur, mit Krug dasjenige für Musik. Ende 1851 bekommt Nietzsche Klavierunterricht und seine Mutter beschafft ein Klavier. Aus der beidseitigen Familientradition heraus wohl verständlich, wird schon von früh auf dem Kind oktroyiert, daß ihn Herkunft und Begabung zum Pfarrer bestimmen. Dazu aber muß er studieren, und so wird er zunächst im Privatinstitut des Kandidaten Weber seit Ostern 1853 bis 1855 auf den Besuch des Naumburger Domgymnasiums vorbereitet. Die Schulferien verbringen die Kinder meist bei Pfarrern aus der Verwandtschaft auf dem Lande, so etwa in Nirmsdorf, vor allem aber bei den Großeltern in Pobles, das Nietzsche zunächst ein Ersatz für Röcken wurde.
Im Mai 1854 hört er das erstemal den Messias von Händel im Naumburger Dom – und von da an wenden sich die Freunde unter dem Einfluß dieses Erlebnisses "ernsteren Beschäftigungen" in Literatur und Musik zu. So finden sich seit dieser Zeit die ersten Texte und Kompositionen des jungen Nietzsche; erstere wurden, soweit sie vorhanden sind, historisch-kritisch herausgegeben von Hans Joachim Mette in der Beck’schen Ausgabe Werke (BAW) Band 1-5.(29) Der Junge schreibt sein erstes "Stück", genannt Das Königsamt ("König Eichhorn"), beschäftigt sich auf Grund des Krimkrieges sehr ausführlich mit verschiedenen Aspekten des Kriegswesens, und dichtet gar ein Lustspiel Der Geprüfte, das H. J. Schmidt ausführlich untersucht. Dies zu Recht, denn das Stück bringt Überraschendes: Es bietet mit Jupiter, Juno, Sirenius usw. römisches Mythenpersonal auf und weist so eine bereits vorausliegende Beschäftigung des Knaben mit der Antike nach. Damit ist ein Strom literarischer Tätigkeit eröffnet, der erst mit den Wahnzetteln in Turin enden wird. Zu dieser Zeit wechselt Fritz mit seinen Freunden in die Quinta des Naumburger Domgymnasiums und entwickelt bereits als Zehnjähriger nach eigener Auskunft ein "gesetzteres Auftreten" und "Quintanerstolz"(30) – Verhaltensweisen, die sein Leben lang für ihn von großer Bedeutung sein werden. In diese Zeit fallen auch die ersten kleinen Kompositionen, die Curt Paul Janz gesammelt und herausgegeben hat. Die Mutter über den Knaben zu dieser Zeit: "Fritz ist ein großer, blühender Knabe und geht mir ein Stück über die Schulter, macht auch in geistiger Hinsicht recht gute Fortschritte ... Fritz bleibt noch seinem Vorsatze treu, Geistlicher zu werden, setzt darum Psalmen in Musik ..." Hier wird der seitens der gesamten Verwandtschaft nicht nachlassende und stets wirksame Druck sichtbar, der Nietzsche auf die Nachfolge des Vaters festlegen will und dem er zunächst wehrlos ausgesetzt ist. Am 3. April 1856 stirbt die Großmutter Erdmuthe – das Erbe ermöglicht es "Tante Rosalie" und Franziska Nietzsche, nunmehr je selbständig zu leben; für die nächsten zwei Jahre zieht letztere in eine "kleine reizende Wohnung mit Garten"(31) (Marienmauer 623), Friedrich erhält seit dieser Zeit ein eigenes Schlafzimmer, fürchtet sich aber, wie er seiner Schwester brieflich mitteilt, vor dem Alleinschlafen nicht.(32) Sind solche offiziellen brieflichen Äußerungen, die der Mutter und weiteren Familienmitgliedern zugänglich waren, vor dem Hintergrund eines "Inzestes" wahrscheinlich oder gar plausibel? Wer etwas zu verbergen hat, umgeht heikle Situationen, so gut er kann, und Nietzsche war ja nun wirklich ein großer Versteckkünstler, wie er selbst nicht müde wird zu betonen. Seine freimütige Äußerung wie etwa auch die Sylvesterschilderung der Schwester(33) sprechen vielmehr dafür, daß beide hierin ganz naiv waren. In der Quarta wird Nietzsche im Herbst 1856 das erste Mal mit Kopfschmerzen auffällig – es sind wohl die vom Lesen überanstrengten Augen, die eine längere Befreiung vom Schulunterricht erzwingen; er geht in dieser Zeit viel Spazieren, sinnt dabei über literarische Entwürfe nach und spielt Klavier. Weihnachten des Jahres bringt ihm unter anderem eine bebilderte Prachtausgabe von "Die Sagenwelt der Alten", in der er sich, wie wir am Stück Der Geprüfte gesehen haben, bereits auskennt – und so sind viele seiner Entwürfe für Stücke wie auch seiner Gedichte in diesen antiken Stoffen angesiedelt. Auf diese Weise macht er sich die ihn bedrängenden menschlichen Grundsituationen von Tod, Schuld und "göttlicher Fügung" in ganz anderer Weise bewußt als unter christlichen Gesichtspunkten, die ihm von Familie und Schule her entgegenkommen. Dieser eher rationale Weg der Aufarbeitung wird immer wieder überlagert von den Erinnerungsbildern aus Röcken (das Grab des Vaters, die Todesglocken, Heimatverlust), gleichzeitig aber verallgemeinert und sublimiert durch Bilder, die auch das menschliche Dasein im größeren Zusammenhang einer mythischen Natur spiegeln, welch letztere dem "Heimatlosen" zeitlebens die eigentliche "Behausung" sein wird. Natürlich fehlt es bis weit in die Pfortazeit hinein auch nicht an Gedichten christlichen Inhalts: Noch folgt der Knabe ja seiner von außen oktroyierten Bestimmung zum Geistlichen, auch ist die Mutter, für die er jährlich zum 2. Februar Geburtstagssammlungen von Gedichten fertigt, über derartiges natürlich erbaut. Doch der christliche Gott hat inzwischen andere Götter neben sich: Zeus/Jupiter, und noch wichtiger, die Sonne als alles überstrahlendes Natursymbol; daneben wird auch das Meer bereits dem Jungen zum Bild, daß sein Leben einer gefährlichen Überfahrt gleicht, zu der er des Wagemuts bedarf. Etwa in den Gedichten Zwei Lerchen und Colombo(34) zeigt sich bereits dies Nietzsche lebenslang bestimmende Grundgefühl seiner Existenz in der Forderung nach Selbstüberwindung. Zwei Lerchen. Ich hörte zwei Lerchen singen Die eine nahte der Sonne Doch wagt sie nicht zu erheben Die andre in mutigem Drange Sie kann doch nicht widerstehen Sie blickt in die strahlende Sonne Persönlich finde ich hier weniger – wie etwa H. J. Schmidt in einer "libidonös"-metaspurenlesenden Deutung erwägt – den poetischen Ausdruck eines Orgasmus, als vielmehr die Vorwegnahme jenes späteren immanent-transzendierenden Diktums Nietzsches: "auf eine Sekunde den Übermenschen erreichen". Die nämliche Bewegung drückt er auch im Bild des Seefahrers aus: Colombo ... Die Winde rauschen durch die Segel hin Doch seh ich recht Ein muntres Vögelpaar Auch hier wieder die ebenso verlockende wie gefährliche Sonne und das "Vögelpaar" – ist der Zwiespalt zwischen Lerche 1 und 2 nun gelöst? Beide Vögel zusammen verweisen auf die Nähe des rettenden Zieles an Land – die "Zweifel weichen" nur dort, wo man der Erde treu bleibt. 1882 schreibt er in Genua sein berühmtes dazu paralleles Kolumbus-Gedicht, das er Lou Salomé zum Abschied schenkt. In solch formal-sprachlichen wie vor allem inhaltlich-gedanklichen Zusammenhängen wird die Kontinuität grundlegender Gedankengänge Nietzsches von der Kindheit bis in seine reifen Jahre sicher überdeutlich. Im Mai 1858, kurz vor seinem Übertritt nach Pforta, blickt er neben seinen erwähnten Stücken und musikalischen Kompositionen bereits auf eine Liste von 46 Gedichten zurück. Im September wird er vom Taufpaten Elisabeths, Pfarrer Oßwald, auf das Aufnahmeexamen in Pforta vorbereitet, wo er eine Freistelle erhalten hatte. Diese sächsische Landesschule war bereits damals eine der ältesten Eliteschulen Deutschlands, auf der etwa Klopstock, Novalis, Ranke und Fichte ihre Ausbildung empfangen hatten. Anfang Oktober zieht Franziska mit den Kindern in die endgültige Naumburger Wohnung, Weingarten 335 (heute: Nr. 18) um, das heutige Nietzsche-Haus (Abb. s.o.). Schulpforta im Saaletal Hier einige neue Fotos von Schulpforta, von mir im Juni 2004 aufgenommen:
Wieder eine Zeit der Umbrüche – wie sollte dieser doppelte Wechsel aller Lebensumstände nicht die schlimmen vergangenen Ereignisse, den Verlust von Vater und Bruder sowie der Röckener heimatlichen Natur heraufbeschwören? Der Knabe erschauert innerlich – noch im Ecce homo hält er fest: "In einer absurd frühen Zeit, mit sieben Jahren, wusste ich bereits, dass mich nie ein menschliches Wort erreichen würde ..."(35) Doch Schwäche gilt nicht – und so blickt er tapfer auf das Erlebte zurück, gibt sich Rechenschaft, und spricht sich selbst – wie auch schon im Colombo-Gedicht – Mut zu; sein erster ausführlicher Lebensrückblick(36) aus dieser Zeit endet denn auch folgendermaßen: Ein Spiegel ist das Leben. Zur Musik äußert er sich darin ebenfalls ausführlich – "Gott hat uns die Musik gegeben, damit wir ... durch sie nach Oben geleitet werden". Und so sind bereits die drei großen Grundantriebe der Nietzscheschen Existenz im Alter von 14 Jahren konkret versammelt und von dem Jungen reflexiv erfaßt: rationale Selbsterkenntnis, Hervorbringen des eigenen Selbst in dichtender Formgebung(37) und erhebende Anleitung des Gemüts durch die Musik. Zwar geistert hier wie später noch häufig der "Liebe Gott" durch den Text – aber ist das bei dieser denkprägenden Herkunft aus dem Pfarrhaus verwunderlich? Vor allem aber: Es ist ja weniger der christliche Gott, der hier angesprochen wird, vielmehr ist es die religiöse Haltung Nietzsches als solche, die hier mit einer höchsten eigenen Wertebene korrespondiert: Nietzsche verhält sich unter dem Namen "Gott" zu sich selbst! Zu seiner eigenen Innerlichkeit – insoweit ganz lutherisch ... Jedoch ebenso, wie Feuerbach Hegel vom Kopf auf die Füße stellte, die jenseitige Innerlichkeit Luthers ins Diesseits hereinholend und in die Verfügungsmacht und -pflicht des Individuums verlegend. Schon Lou Salomé hat in ihrer Nietzsche-Biographie zu Recht auf diesen religiösen Grundzug des Nietzscheschen Wesens hingewiesen. Und diese höchste eigene Wertebene stellt Nietzsche bereits seit seinen allerersten Gedichten und Schriften auf unterschiedlichste Weise dar, vor allem in antiken Bildern und als Naturmythos, aber auch an mittelalterlichen Themen wie Conradin und Barbarossa, und so natürlich auch, wohl vor allem der Mutter zuliebe, unter christlichen Bildern. Den Knaben Nietzsche daher "christlich" zu vereinnahmen, wie in der Nietzsche-Interpretation lange geschehen, kann nicht angehen, wie H. J. Schmidt zu Recht kritisiert.(38) ARTE Video Schulpforta (1.845 KB)Der Abschied von der Familie und das Eintauchen in die strenge Ordnung Schulpfortas mit seiner geradezu klösterlichen Regelung vom Speise- bis zum Betsaal fiel dem Jungen zunächst außerordentlich schwer aufs Gemüt. Kein Wunder bei diesem Tagesablauf: Spätestens um 5 Uhr morgens hatte er aufgestanden zu sein, um in den überfüllten Waschstuben noch einen Platz zu bekommen; halbsechs hat er sich – täglich – im Betsaal einzufinden, zu Gebet, Gesang und Predigt; nach kurzem Frühstück auf der Stube geht’s Punkt sechs in die Klasse, wo bis 12 Uhr Repetition und Unterricht gehalten wird. Sodann marschiert man in strenger Ordnung in den Speisesaal, in dem ebenfalls eine durchorganisierte Hierarchie unter den Schülern herrscht, so daß die Jüngeren Mühe haben, an ansprechendes Eßbares zu gelangen ... So nimmt es nicht Wunder, daß Fritz immer wieder gerade in dieser Hinsicht nach Hause schreibt, ihn doch ja mit Obst, Nüssen, Kakao usw. zu versorgen. Um 13.45 Uhr nach kurzer Freizeit ist bereits wieder "Klasse", die sich unterbrochen von einer "Vesper" mit Repetieren und Unterricht bis 19 Uhr hinzieht. Nach dem Abendessen dürfen die Schüler noch bis 20.30 Uhr in den Schulgarten, um nach dem obligatorischen Abendgebet um 9 Uhr zu Bett zu gehen.(39) Nietzsche wird auch in den Schulchor aufgenommen – und trotz dieser doch so verplanten Zeit ist er nebenbei auch noch selbst tätig, verfaßt weiter Kompositionen und Gedichte, tauscht sich mit seinen Naumburger Freunden Krug und Pinder teils brieflich, teils bei sonntäglichen Spaziergängen aus, zu denen er sich mit diesen und mit seiner Familie häufig auf halbem Weg zwischen Pforta und Naumburg "in einem sehr hübsch gelegenen Gasthaus in Almrich"(40) trifft. In Pforta lernt er auch zwei seiner besten, sein weiteres Leben begleitenden Freunde kennen, den oben bereits zitierten Paul Deussen und Carl von Gersdorff.
Im Juli 1859 befindet sich Fritz wieder einmal in den Ferien, und zwar bei seinem Onkel Emil Schenk, dem Oberbürgermeister von Jena; nach einem Bericht der Schwester wäre er "in einen Strudel gerathen, habe, ohne nach Hilfe zu rufen, versucht allein durchzukommen und nur durch Zufall entdeckte der Onkel die Gefahr und rettete ihn, als er schon halb bewußtlos war.–"(41) H. J. Schmidt deutet dieses Badeerlebnis in Nietzsche absconditus(42) als "Selbsttötungsversuch", in dem er insbesondere auf "grabessüchtige" Gedichte, auf die damalige Verzweiflung und "Verstimmung" des Knaben hinweist. In der von Schmidt vorgetragenen Fassung scheint mir diese Hypothese zwar etwas zu weit auszugreifen; aber im Kern wird er damit sicher erstmals Richtiges und Wichtiges entdeckt haben: Unter den damaligen bedrückenden Umständen konnte der Knabe sicherlich zwischen Todessehnsucht und schöpferischem Lebenswillen hin- und hergerissen sein, und so hat er sich möglicherweise hier mehr nolens als volens der Natur und ihrem Element anvertraut und entging der Gefahr mit Hilfe des Onkels nur knapp. Trotz dieser sicherlich auch pubertätsbedingten seelischen Schwankungen sind die schulischen Leistungen Nietzsches bereits ausgezeichnet, im Herbst 1859 in die Obertertia versetzt rangiert er als Primus seiner Klasse. An seinem 15. Geburtstag notiert er: "Mich hat jetzt ein ungemeiner Drang nach Erkenntniß, nach universeller Bildung ergriffen."(43) Und er setzt hinzu: "Wenn sie doch so beständig wie meine Zuneigung zur Poesie wäre!" Daß jedoch auch sein Erkenntnisdrang nicht nachläßt, zeigt er wenig später, wenn er im Vorgriff auf den späteren "Psychologen" Nietzsche notiert(44): "Wenn ein Mensch in irgend einen besonderen Falle zu euch sagt, – dieses und jenes vertrage sich nicht mit seinem Gewissen, – so glaube nur immerhin, er meine damit nichts mehr als dieses und jenes vertrage sich nicht mit seinem Magen – ein derzeitiger Mangel an Appetit ist gewöhnlich die wahre Ursache von dem Einen und dem andern. –" (Fritz hatte – wohl dialektbedingt – lange Zeit Probleme, Dativ und Akkusativ richtig auseinanderzuhalten.) In den Ferien, am 21. Juli 1860, gründete er mit Pinder und Krug die Germania, wobei Initiativen und Führung stets von Fritz ausgingen; jeder der drei Freunde sollte regelmäßig Arbeiten auf dem Gebiet von Wissenschaft und Poesie, später auch der Musik einliefern, die dann gegenseitig besprochen und korrigiert werden würden. Eine Nietzschesche Besprechung Pinder’scher "Werke" läßt bereits die philologische und sprachliche Begabung durchscheinen und nimmt die überlegen-übermütigen Floretthiebe des Autors der Ersten Unzeitgemäßen Betrachtung gegen David Friedrich Strauss vorweg(45) – vice versa läßt sich daraus ersehen, wie Nietzsche sich selbst reflektierend zur Dichtung verhält. Kein Wunder jedoch, daß bei einem solchen Kritikaster als Partner die beiden Freunde im Laufe der Zeit immer weniger Zeit und Lust zur Einlieferung finden. So ist Fritz der einzige, der stets pünktlich Gedichte, Abhandlungen und Kompositionen liefert; und nach 1862 schläft die Germania dann ganz ein. Allerdings wurden die Aktivitäten des Alumnus portensis bereits in dieser Zeit auffällig häufig von Krankheiten unterbrochen; die erhaltenen Aufzeichnungen aus dem dortigen Krankenbuch(46) weisen neben häufigen Katarrhen vor allem immer wieder Kopfschmerzen aus, die wohl auf die Überanstrengung der Augen auf Grund seiner starken Myopie zurückzuführen sind, derentwegen er sogar zeitweise zum Auskurieren nach Hause entlassen wurde. So auch am 16. Februar 1861: "Ich habe es nun wahrhaftig satt mit diesen Kopfschmerzen; es wird nicht besser und kommt immer wieder. Die kleinste Anstrengung des Kopfes macht mir Schmerzen."(47) So schreibt er es der Mutter, bevor er für zwei Wochen nach Hause fährt, wo die Mutter ihn mit naturheilkundlichen und homöopathischen Mitteln zu kurieren versucht. Obwohl noch nicht wiederhergestellt, geht er Ende Februar nach Pforta zurück: Examensarbeiten und die Konfirmation stehen bevor. Wenn die indoktrinären Vorbereitungen auf letztere noch einmal eine gewisse "christliche Regression" herbeigeführt haben sollten, wie sich Deussen an "eine heilige und weltentrückte Stimmung" der beiden erinnert(48), so hält diese jedenfalls bei Nietzsche nicht allzu lange vor. Dies ließ er durchaus auch seiner Familie gegenüber erkennen: "In seinen Äußerungen über Christentum und Religion war mein Bruder damals äußerst vorsichtig, zumal da er durch die Empfehlung von zwei Büchern ‚Das Leben Jesu‘ und die Kirchengeschichte von Professor v. Haase in Jena, die ich mir zu Weihnachten wünschen sollte, einen Sturm der Entsrüstung erregte, sowohl bei unserer Mutter als auch bei unserer Tante Rosalie."(49) In den Osterferien schreibt er eine seiner ersten eigenständigen Abhandlungen über die "Kindheit der Völker", in der er bereits in der Einleitung "Zweifel" andeutet, "aus denen sich manche für Religion und Geschichte gefährliche Muthmaßungen" ergeben könnten.(50) Er denkt darin über die Herkunft von Kultur und Sprache nach, am ausführlichsten jedoch über die Entwicklung der Religion, die er bereits hier in grober Form psychologisch angeht. Zu dieser Zeit lernt er auch durch Freund Krug den Tristan Richard Wagners im Klavierauszug kennen, und er überwirft sich kurzzeitig mit der Mutter – er spricht von "häßlichen Vorfällen" und einem "Riß", für den er um Verzeihung bittet.(51) Es ist naheliegend, daß er sich mit seinen eigenen Gedanken insbesondere in Religionsfragen zu weit vorgewagt hatte. Trotzdem werden diese für ihn immer drängender, und so ist es kein Wunder, daß wir bereits auf seinem "Geburtstagszettel"(52) für 1861 Feuerbachs Werke "Wesen des Christentums" und "Gedanken über Tod und Unsterblichkeit" finden! Trotz seiner Krankheiten und dadurch bedingten Abwesenheit ist er wieder Primus und erhält für eine lateinische Arbeit über Cicero die in Pforta nur äußerst selten vergebene Note 1. Im Juli 1861 begibt er sich auf seine erste Nürnberg-Reise, um am "Deutschen Sängerfest" teilzunehmen; er besuchte die Sehenswürdigkeiten unserer Stadt und ließ sich im damaligen Bratwurstglöckle an der Moritzkapelle, einst direkt neben der Sebalduskirche gelegen, die berühmten Bratwürste mit Sauerkraut und Bier schmecken. Auf meiner diesem Besuch gewidmeten Seite(53) finden Sie nicht nur das Konfirmationsfoto des 17-Jährigen, sondern auch seine Aufzeichnungen von dieser Reise und Abbildungen seiner Besichtigungsstationen, soweit diese heute noch erhalten sind. Ende September komponiert er kurz nach dem Kennenlernen der Dante-Symphonie von Liszt sein erstes größeres Klavierwerk, die Ermanarichsymphonie, "für zwei Klaviere berechnet"; zum selben Stoff fertigte er wenig später auch ein dramatisches Gedicht wie auch eine längere Abhandlung, die er später zu seinen wichtigsten Leistungen in Pforta zählt. Für die Schule schrieb er eine enthusiastische Arbeit über seinen "Lieblingsdichter Hölderlin"(54), die ihm allerdings seitens seines Lehrers Koberstein den (heute wohl eher befremdlichen) Rat einbrachte, "sich an einen gesundern, klareren, deutschen Dichter zu halten".(55) Was zieht ihn an Hölderlin an? Es ist dessen "höchste Idealität", aber auch, wie er etwa im Hyperion "den Deutschen bittre Wahrheiten sagt". Im Empedokles, "in dessen schwermüthigen Tönen die Zukunft des unglücklichen Dichters, das Grab eines jahrelangen Irrsinns, hindurchklingt", "in einer unendlichen Fülle von tiefsinnigen Gedanken", erkennt er sich zeitlebens wieder; und natürlich, die Sprachkunst Hölderlins hat es ihm angetan, Empedokles "in der reinsten, sophokleischen Sprache" – und die "wohlklingende Bewegung" seiner Prosa im Hyperion: "In der That, diese Prosa ist Musik". Instinktsicher identifiziert er in Hölderin wichtige Bereiche der eigenen Persönlichkeit – all die von ihm auf Hölderlin gemünzten Attribute wird man später auch bei ihm selbst finden. Als Eigenlektüre interessieren ihn neben Feuerbach zu dieser Zeit Byron, Büchner und vor allem Emerson, dessen auch der reife Nietzsche von der 3. UZB(56) bis ins Spätwerk gedenken wird. Und er lernt die Gedichte des ungarischen Dichters Petöfi kennen, von denen er einige in Musik setzen wird.(57) In die Osterferien 1862 fallen die ersten explizit philosophischen Abhandlungen des Schülers mit den Titeln Fatum und Geschichte / Willensfreiheit und Fatum.(58) Bereits in der Einleitung intoniert Nietzsche das Thema, das zeitlebens sein wichtigstes sein wird bis hin zum Antichrist: Wenn wir mit freiem, unbefangenem Blick die christliche Lehre und Kirchengeschichte anschauen könnten, so würden wir manche den allgemeinen Ideen widerstrebende Ansichten ausspre<c>hen müssen. Aber so, von unsern ersten Tagen an eingeengt in das Joch der Gewohnheit und der Vorurtheile, durch die Eindrücke unsrer Kindheit in der natürlichen Entwicklung unsers Geistes gehemmt und in der Bildung unsres Temperaments bestimmt, glauben wir es fast als Vergehn betrachten zu müssen, wenn wir einen freieren Standpunkt wählen, um von da aus ein unparteiisches und der Zeit angemessenes Urtheil über Religion und Christentum fällen zu können. Ein solcher Versuch ist nicht das Werk einiger Wochen, sondern eines Lebens. [!](59) Wie prophetisch – als ob er sein eigenes Geschick(60) bereits ahnte ... Und ganz Feuerbachisch – wobei das Schlußzitat direkt dem Wesen des Christentums entnommen ist – endet er einen gleichzeitigen Brief an seine Freunde(61): ...Durch den Glauben selig werden heißt nicht<s> als die alte Wahrheit, daß nur das Herz, nicht das Wissen, glücklich machen kann. Daß Gott Mensch geworden ist, weist nur darauf hin, daß der Mensch nicht im Unendlichen seine Seligkeit suchen soll, sondern auf der Erde seinen Himmel gründe; der Wahn einer überirdischen Welt hatte die Menschengeister in eine | falsche Stellung zu der irdischen Welt gebracht: er war das Erzeugniß einer Kindheit der Völker. Die glühende Jünglingsseele der Menschheit nimmt diese Ideen mit Begeisterung hin und spricht ahnend das Geheimniß aus, das zugleich auf der Vergangenheit in die Zukunft hinein wurzelt, daß Gott Mensch geworden. Unter schweren Zweifeln und Kämpfen wird die Menschheit männlich: sie erkennt in sich "den Anfang, die Mitte, das Ende der Religion." Solche Texte bei einem 17-Jährigen sind allerdings erstaunlich – er ist auf dem Wege, sich unter Zuhilfenahme der befreiendsten Gedanken der Zeit, wie er sie etwa bei Feuerbach und Emerson findet, sich aus den traditionellen Verstrickungen seiner eigenen Kindheit und Jugend zu lösen und auf einen eigenen Weg zu begeben. Daß zu jener Zeit dieser Weg noch keine gerade Linie ist, sondern durchaus manche Krümmung durchlaufen sein will, zeigt sich an Manchem. So etwa am Fragment Euphorion(62), eine Anlehnung an den "Weltschmerz" Byrons, im Ton an Georg Büchners "Leonce und Lena" erinnernd, das vor absonderlichen Abstrusitäten nur so strotzt. und in dem so unerwartete Sätze stehen wie: ... ich fühle es, daß ich mich völlig entpuppt habe ich kenne mich durch und durch und möchte nur den Kopf meines Doppelgängers finden, um sein Gehirn zu secieren ... Bin auch ich Kind gewesen, zugedrechselt worden durch den alten abgeleierten Weltmechanismus? Und schleppe jetzt – eine Klapper an der Tretmühle – recht behaglich langsam das Seil, das man Fatum nennt, bis ich verfault bin, der Schinder mich verscharrt, und nur einige Aasfliegen mir noch ein Wenig Unsterblichkeit zusichern? ... In meiner Stube ist es todtenstill – meine Feder kratzt nur auf dem Papier ... Vor mir ein Tintenfaß, um mein schwarzes Herz darin zu ersäufen, eine Scheere um mich an das Halsabschneiden zu gewöhnen, Manuscripte, um mich zu wischen und ein Nachttopf. Doch dies war wohl nur ein "pubertierender" Ausbruchsversuch in eine ganz andere Richtung – denn schließlich fällt die Entscheidung für die Philologie; der Mutter schreibt er im Mai 1863: Was meine Zukunft betrifft, so sind es eben diese ganz praktischen Bedenken, die mich beunruhigen. Von selbst kommt die Entscheidung nicht, was ich studieren soll. Ich muß also selbst darüber nachdenken und wählen; und diese Wahl ist es, die mir Schwierigkeiten macht. ... Wie leicht läßt man sich von einer momentanen Vorliebe oder einem alten Familienherkommen oder von besonderen Wünschen fortreißen .... Nun bin ich noch in der besonders unangenehmen Lage, wirklich eine ganze Anzahl von auf die verschiedensten Fächer zerstreuten Interessen zu haben, deren allseitige Befriedigung mich zu einem gelehrten Manne, aber schwerlich zu einem Berufsthier machen würde. Daß ich also einige Interessen abstreifen muß, ist mir klar. Daß ich einige neue hinzugewinnen muß, ebenfalls. Aber welche sollen nun so unglücklich sein, daß ich sie über Bord werfe, vielleicht gerade meine Lieblingskinder!(63) Deutlich wird, daß er sich bereits nicht mehr auf die Theologie festgelegt sieht, wie es vom "alten Familienherkommen" und insbesondere von seiner Mutter bis hinein in die Bonner Zeit verlangt wird. Ende September 1863 schreibt er: "Man lebt jetzt recht viel in der Zukunft und macht sich Pläne für die Universitätszeit: selbst meine Studien beginne ich schon darauf einzurichten." Zum anstehenden Geburtstag wünscht er sich daher in der Hauptsache "nur wissenschaftliche Werke", und zwar philologische.(64) Auch wenn sich schon beim jungen Nietzsche die geniale Veranlagung zeigt, so bleibt es nicht aus, daß er in jugendlichem Übermut doch auf Abwege gerät und so disziplinarisch auffällig wird. Zweimal büßt er dies mit Karzer und gar mit Rückversetzung von der Stellung des Primus und schrammt hart an der Relegation vorbei. Daß er im Gegensatz zu anderen auf der Schule bleiben durfte, hat sicherlich auch damit zu tun, daß sich recht bald seine überragende Begabung insbesondere auf sprachlichem und philologischen Gebiet herausstellte und unter der Lehrerschaft herumsprach. Den ersten Vorfall vom November 1862 steckt er schnell weg, da er sich eigentlich keiner Schuld bewußt ist. Weil hier Nietzschesche Verhaltensweisen und Reaktionen lebendig zu Tage treten, hier kurz die Einzelheiten: Als Primaner wird er als "Wocheninspektor" eingesetzt, dessen Aufgabe es ist, "alles, was eine Reparatur in den Stuben, Schränken, Auditorien usw. nöthig macht, zu verzeichnen und einen Zettel mit all diesen Bemerkungen auf der Inspektionsstube abzugeben." Da ihm das etwas langweilig schien, kleidete er "alle Bemerkungen in das Gewand des Scherzes", um die Sache "durch Humor pikanter zu machen."(65) Die Schwester hat einige Beispiele überliefert: "Im Auditorium So und So brennen die Lampen so düster, daß die Schüler versucht sind, ihr eigenes Licht leuchten zu lassen" – "In der Obersecunda sind kürzlich die Bänke gestrichen und zeigen eine unerwünschte Anhänglichkeit an die sie Besitzenden."(66) Dies nimmt sich heute eher wie ein lustiger Streich aus, aber gerade zu jener Zeit wurden einige Mitschüler Nietzsches, so etwa G. Meyer, mit dem er näheren Umgang hatte, kurzerhand der Pforte verwiesen. Disziplinlosigkeiten waren also durchaus eine gefährliche Sache. Nun, er nimmt das nicht eigentlich ernst, sondern zieht der Mutter gegenüber "nur daraus die Lehre, andere mal mit Scherzen vorsichtiger zu sein.–"(67) Privatim sehen die Konsequenzen, die er daraus zieht, wesentlich radikaler aus, er verallgemeinert das Geschehen für sich sogleich ins Prinzipielle: Nichts verkehrter als alle Reue über Vergangnes, nehme man es wie es ist. ziehe man sich Lehren daraus, aber lebe man ruhig weiter – betrachte man sich als ein Phänomen, dessen einzelne Züge ein Ganzes bilden. Gegen die andern sei man nachsichtig, bedaure sie höchstens, lasse sich nie ärgern über sie, man sei nie begeistert für jemand, alle nur sind für uns selbst da, unsern Zwecken zu dienen. Wer am besten zu herrschen <versteht>, der wird auch immer der beste Menschenkenner sein. Jede That der Notwendigkeit ist gerechtfertigt, jede That notwendig, die nützlich ist. Unmoralisch ist jede That, die nicht notwendig dem Andern Not bereitet; wir sind selbst sehr abhängig von der öffentl<ichen> Meinung, sobald wir Reue empfinden und an uns sel<b>st verzweifeln. Wenn eine unmoral<ische> Handl<ung> notwendig ist, so ist sie moralisch für uns. Alle Handlungen können nur Folgen unsrer Triebe ohne Vernunft, unsrer Vernunft ohne Triebe und unsrer Vernunft und Triebe zugl<e>ich sein.(68) An diesem auf den ersten Blick eigentlich harmlosen Geschehen läßt sich die Verschränkung von Leben und Denken bei Nietzsche sehen: In der Reflexion darüber, wie er sich dazu zu stellen hat, schafft sich schon der 18-Jährige jene innere Plattform "jenseits von Gut und Böse", von der aus er ungerührt das Leben auf die Triebe des einzelnen Individuums reduziert und dessen Machtstreben zur Notwendigkeit erhebt. Und selbst die Not des Andern wird nicht nur moralisch in Kauf genommen, sondern gar selbst als moralisch umgewertet, wenn sie nur aus dem Blickwinkel des Individuums "nützlich" und damit notwendig ist. Sicherlich will der Jüngling damit keinem bloßen subjektiven Utilitarismus das Wort reden – aber warum er sich in naher Zukunft beim Genieglauben Schopenhauers zuhause fühlen muß, liegt klar zu Tage: Jenes Individuum, das "am besten zu herrschen" versteht, schafft sich seine Moral selbst. Parallel dazu hat er sich kurz vorher über Krimhild, die Gunther und Hagen morden läßt, notiert: "Nur volle, tiefe Naturen können sich einer furchtbaren Leidenschaft so völlig hingeben, daß sie fast aus dem Menschlichen herauszutreten scheinen; mir graut aber vor der Herzlosigkeit derjenigen, die den ersten Stein gegen solche Unglücklichen aufheben können."(69) Obwohl er durch die Geschichte vom November 1862 hätte gewarnt sein müssen, kommt es im April 1863 noch schlimmer – schuldbewußt schreibt er an die Mutter(70): "Wenn ich dir heute schreibe, so ist es mir eins der unangenehmsten und traurigsten Geschäfte, die ich überhaupt gethan habe. Ich habe mich nämlich sehr vergangen und weiß nicht, ob du mir das verzeihen wirst und kannst. ... Ich bin also vorigen Sonntag betrunken gewesen und habe auch keine Entschuldigung weiter, als daß ich nicht weiß, was ich vertragen kann." Bei der Heimkehr wurde er dann erwischt und zwei Tage später vor eine außerordentliche Synode zitiert. Im Strafbuch(71) heißt es: "Nietzsche und Richter trinken am Sonntage auf dem Bahnhofe zu Kösen während einer Stunde je vier Seidel Bier. N. war davon betrunken und noch ersichtlicher Richter." Er verlor seine Stellung als Primus und der Sonntagsspaziergang wurde ihm entzogen, man verfuhr also nochmals glimpflich mit ihm, sicherlich auch in Rücksicht auf seine herausragenden Leistungen. "Durch diesen einen Fall verderbe ich mir meine leidliche Stellung, die ich mir im vorigen Quartal erworben hatte, völlig." Diesmal nimmt er sich die Sache wirklich zu Herzen – die ihn kränkende Zurücksetzung wirkt dahin, daß er in seinem Verhalten ganz allgemein und speziell gegenüber dem Alkohol in Zukunft noch mehr Vorsicht wird walten lassen – seine vorhandene Neigung, nach außen hin Rollen zu spielen, wird dadurch sicherlich verstärkt. Auf ein anderes "Rollenspiel", die Beziehung des jungen Nietzsche zu dem Dichter Ortlepp, möchte ich an dieser Stelle nicht näher eingehen, da hier noch zu viel im Dunkeln liegt; insfern verweise ich auf den Artikel von H. J. Schmidt(72) und meine Rezension zu dessen Nietzsche absconditus(73). Denkbar ist jedenfalls, daß Nietzsche Ortlepp in Almrich, wo er sich oft mit Mutter, Schwester und Freunden traf, begegnet ist und von diesem Anregungen empfangen hat. Zum Abschluß seiner Schülerzeit fertigte Nietzsche seine Pfortenser Valediktionsarbeit, vormals Pflicht, zu seiner Zeit jedoch freiwillig, die sich mit dem griechischen Dichter Theognis aus Megara(74) (6. Jh. vC) befaßt. Der Text ist, abgesehen von den reichlichen griechischen Originalzitaten, vollständig im Lateinischen gehalten. Er behandelt in drei Teilen das Leben des Theognis und die Megarischen Zeitumstände, die Theognidischen Lieder sowie seine Ansichten über die Götter, die Sitten und über den Staat. Theognis lebte in der Umbruchzeit von der Adelsherrschaft zur Demokratie, als Vertreter und Verherrlicher der ersteren mußte er in die Verbannung. Nietzsches diesbezüglichen philologischen Kenntnisse waren so hervorragend, daß er sie bis in die Leipziger Studentenzeit nutzen und auch dort noch mit diesem Thema reüssieren konnte – und er ist, wie man bereits hier sieht, auch bei philologischen Texten inhaltlich immer bei seinen eigenen Themen. Daher stammt es denn, daß sich auch seine Philologica immer in gewisser Weise spannend lesen, wie er selbst bemerkt. Beinahe wäre er allerdings in Mathematik durchgefallen – und so verdankte er das Abitur auch der Fürsprache seines Lehrers Corrsens: "Wünschen Sie vielleicht, daß wir den begabtesten Schüler, den Pforta, so lange ich hier bin, gehabt hat, durchfallen lassen?"(75) Sein Lehrer Steinhart schreibt im Empfehlungsschreiben an den Bonner Prof. Saarschmidt am 7. Sept. 1864: "... Nietzsche[,] ist eine tiefe, sinnige Natur, schwärmerisch der Philosophie, namentlich der platonischen, zugethan, in die er schon ziemlich eingeweiht ist. Er schwankt noch zwischen Theologie und Philologie, doch wird die letztere wol siegen, besonders aber wird er unter Ihrer Leitung sich freudig der Philosophie zuwenden, zu der ihn doch sein innerster Trieb hinführt." (76) Insbesondere in den Sprachen Deutsch, Latein und Griechisch zeigt sein Abiturzeugnis(77) folgerichtig ausgezeichnete Bewertungen, wohingegen erstaunlicherweise Naturwissenschaften und Geschichte lediglich mit Befriedigend bewertet wurden. Trotz aller inneren Abwendung erhielt er auch in Religion eine gute Note – offiziell schien er ja noch immer auf dem besten Wege, Theologie zu studieren und Nachfolger seines Vaters zu werden. Und so verabschiedete er sich von Pforta in die sogenannten "Mulus"-Ferien, bevor er sich, nach einer Ferienreise mit seinem Freund Deussen, nach Bonn zum Studium begab und zunächst im Fach Theologie einschrieb. Innerlich aber war er schon auf ganz anderen Wegen, die er auf Grund der familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse nur noch nicht offen zeigen konnte und durfte. Zum Abschluß daher hier das erste "wirkliche" Gedicht Nietzsches(78), das oft bis heute noch mißverstanden und gar als christliche Erbauungsliteratur zitiert wurde: Noch einmal eh ich weiter ziehe Darauf erglühet tiefeingeschriebe<n> Ich will dich kenne<n> Unbekannter, Die Nietzsche’sche Vita ist nicht nur aus biographisch-geschichtlichen und persönlich-mitmenschlichem Gründen von hohem Interesse, sondern vor allem auch deshalb, da sie bis heute ein Paradebeispiel für die Wirkung christlicher Konditionierung auf die freie Geistesentwicklung des jugendlichen Individuums bildet. Selbst ein Genie wie Nietzsche war zuletzt nicht in der Lage, diesen Kampf gegen die eigenen, im unbewußten Kindesalter erworbenen Prägungen zu gewinnen – aber gerade dieser Kampf um die Selbstbefreiung des Individuums, dem im Kern alle Schriften Nietzsches von Jugend an gelten, hat uns tiefe Einsichten in die menschliche Psyche beschert, die bis heute in die Breite der kulturellen Tradition noch kaum eingedrungen sind. Literatur: s. Seite Philosophie philos.htm#literatur Anmerkungen: 1 Otto Flake, Nietzsche, Rückblick auf eine Philosophie, P. Keppler, 2. Aufl. Baden-Baden 1947, S. 53. 2 Mit dem folgenden Link finden Sie Auszüge aus den beiden Reden von Th. Mann aus den Jahren 1924 und 1947. 3 Näheres zu Sloterdijks Menschenpark-Rede können Sie auf meiner Metaphysik-Website lesen. 4 Hermann Josef Schmidt, Nietzsche absconditus oder Spurenlesen bei Nietzsche, Teil I Kindheit (3 Teilbände) und Teil II Jugend (2 Teilbände), Alibri Verlag (früher IBDK Verlag), Berlin-Aschaffenburg 1991-1994. Meine Rezension dieses Meilensteins in der Erforschung der Entwicklingsgeschichte des jungen Nietzsche finden sie mit diesem Link: Rezension Nietzsche absconditus 5 Weitere, sich mit dem hier Vorgetragenen teils überschneidende Informationen, Original-Zitate, Videos und viele Abbildungen finden Sie auf den schon länger im Internet stehenden Seiten zu Röcken, Jugend und Werke. Alle hier genannten wie weitere wichtige Jugendgedichte im Volltext mit diesem Link: Jugendgedichte 6 E. F.-N., Der junge Nietzsche, S. 14 7 Chronik S. 13 8 Chronik S. 18 f. 9 E. F.-N., Der junge Nietzsche, S. 15 10 E. F.-N., Der junge Nietzsche, S. 18 11 Chronik S. 11 12 H. J. Schmidt, Nietzsche absconditus, Kindheit Teil 3, S. 833 f. 13 BAW 1, 279 14 E. F.-N., Der junge Nietzsche, S. 18 f. 15 BAW 1, 4 f. 16 Diesen Hinweis verdanke ich Prof. H. J. Schmidt: "ich würde nur an einen Gott glauben, der" oder Lebensleidfäden und Denkperspektiven Nietzsches in ihrer Verflechtung (1845-1888/89) in Nietzscheforschung 9, Berlin, 2002. 17 BAW 1, 5 18 BAW 1, 6 19 BAW 1, 230 f. 20 Chronik S. 15 21 E. F.-N., Der junge Nietzsche, S. 25 22 E. F.-N., Der junge Nietzsche, S. 28 23 BAW 1, 309; s.a. H. J. Schmidt, Nietzsche absconditus, Kindheit 3, S. 656/57 24 Eine solche Vermutung lege sich auch deshalb womöglich nahe, als aus der Anstalt ein Notizbuch Nietzsches verschwunden sei. 25 H.J. Schmidt, Nietzsche absconditus, Kindheit Teil 3, 646 f. 26 HKGA Briefe S. 317 ff. 27 E. F.-N., Der junge Nietzsche, S. 44 28 s. etwa: Joachim Köhler, Friedrich Nietzsche und Cosima Wagner, Rowohlt TB, Sonderausgabe 1998. Entsprechende Auszüge unter diesem Link auf meiner Seite: Lou Dokumente 3. Oder demnächst auch in A&K 2/2002: Zarathustras Seele 29 Im Anhang S. 307 ff. bringt Band 1 auch die frühesten Texte, unter anderem die in Anm. 19 genannte Phantasie II mit dem von Schmidt inzestuös gedeuteten Vers. Alle hier genannten wie weitere wichtige Jugendgedichte im Volltext mit diesem Link: Jugendgedichte 30 BAW 1, 19 31 Chronik S. 32 32 HKGA Briefe 1, Nr. 11, 8 33 Chronik S. 30 34 März 1858, BAW 1, 433 f. und Anfang Mai 1858, BAW 1,443 35 KSA 6, 297. Eine solche spätere Aussage muß nicht in jedem Falle eine Selbststilisierung sein ... 36 BAW 1, 1-32 37 Beachtenswert ist hier die Mehrdeutigkeit des "Dichtens": einerseits das schöpferische Hervorbringen des eigenen Selbst als Dichtung, die zugleich eine konzentrierende Verdichtung zur eigenständigen und vereinheitlichten Persönlichkeit ist. 38 Daß dies unter verschiedenen Vorzeichen nach wie vor versucht wird, zeigt ein Artikel aus dem Rheinischer Merkur 11/2002 v. 15.03.2002: Nietzsche neu verstanden – "Der Zweifel frisst mich auf". Der Philosoph, der wie kein anderer für den Tod der Gottheit steht, wurde oft falsch verstanden. Er war tief religiös. Autor: Werner Thiede. Auch dieser Text ist, wie schon viele frühere, aus der Perspektive der "Heimholung" Nietzsches, seiner Unterstellung unter die so haushoch überlegene "christliche Heilslehre" zu sehen – und so ist er auch heimtückisch. Denn Nietzsche wollte doch vor allem Eines: Den Menschen aus dieser christlichen Demutshaltung herausholen und ihn dazu zu treiben, endlich die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, anstatt auf höhere Mächte zu schielen und von diesen irgendwelche Rettungen zu erwarten – dies übrigens ganz parallel zu Feuerbach. 39 BAW 1, 119 ff. 40 E. F.-N., Der junge Nietzsche, S. 88 41 E. F.-N., Das Leben Friedrich Nietzsche’s, Erster Band, Leipzig 1895, S. 155 42 Weiter ausführlich in A&K 2/2002 H. J. Schmidt in: Im Saalestrudel oder ein Selbsttötungsversuch des vierzehnjährigen Nietzsche? 43 BAW 1, 152 44 BAW 1, 155 45 Diese Kritik Nietzsches nebst Abbildungen der damaligen Freunde finden Sie auf der folgenden Seite unter dem Titel "Die poetischen Leistungen W. Pinders". 46 Die erhaltenen Pfortenser Krankenbuch-Eintragungen. 47 HKGA Briefe, I, 134 48 E. F.-N., Der junge Nietzsche, S. 98: "Wir wären ganz bereit gewesen, sogleich abzuscheiden, um bei Christo zu sein ..." 49 E. F.-N., Der junge Nietzsche, S. 99 50 BAW I, 235 51 HKGA Briefe, I, 140 52 BAW I, 251 53 Sehen Sie dazu meine eigens hierfür gestaltete Seite "Nietzsche und Nürnberg". 54 BAW II, 1-5 55 Chronik S. 82 56 s.a. meinen Text zur 3. UZB "Nietzsche als Erzieher" 57 Einige Beispiele können Sie auf der Nietzsches Musik gewidmeten Seite direkt hören und herunterladen. 58 BAW II, 54-62 59 Den gesamten Text dieser Schriften finden sie auf der Werke-Seite. 60 "Geschick" aufgefaßt in seiner mehrfachen Bedeutung: Einerseits sein eigenes Können, das ihm als solches eine Aufgabe zuweist, die ihm also von seinem Geschick zugeschickt wird, und so sein Schicksal ausmacht. Im "Geschick" drückt sich mithin die innere Verknüpfung und Wechselwirkung zwischen der individuellen Veranlagung und dem sich daraus entwickelnden Los innerhalb des gesellschaftlichen Umfeldes aus. 61 BAW II, 63 62 BAW II, 70 f. 63 HKGA Briefe, I, 213 64 HKGA Briefe I, 226 65 HKGA Briefe, I, 200 66 Chronik S. 92 67 Im Synodalischen Strafbuch der Landesschule Pforta findet sich dazu jedenfalls folgender Eintrag: 68 BAW II, 143 69 BAW 2, 134 70 HKGA Briefe I, 209 f. 71 HKGA I, 390 72 H. J. Schmidt in Aufklärung und Kritik, Nietzsche-Sonderheft Nr. 4/2000, S. 87 ff. mit weiteren Literaturangaben. 73 Aufklärung und Kritik Nr. 1/2002, S. 200 ff. Eine vorläufige Stellungnahme finden Sie auf der Werke-Seite – eine ausführliche Erörterung der tatsächlich doch brisanten Nietzsche-Ortlepp-Zusammenhänge habe ich auf der Seite Liebes- order Bildungserlebnis? Nietzsche und Ortlepp publiziert. 74 BAW III, 21-64 75 E. F.-N., Der junge Nietzsche, S. 129; hier eine Abbildung des damaligen Lehrerkollegiums in Pforta. 76 HKGA Briefe I, 409 77 Zeugnis-Abbildung auf der Werke-Seite 78 BAW II, 428 Sie sind der . Besucher seit dem 22.05.2002. Dank für diesen Counter an http://www.digits.net/ |